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noch manche Obstsorte haben, die bereits die Römer kannten, wie deren weiter oben einige angeführt sind. Aber davon abgesehen, da dieß nicht völlig sicher documentirt ist, so können wir das Alter nicht weniger unserer Obstvarietäten doch schon bis Quintinye’s und Merlet’s Zeiten, also da diese, um 1670–90 schreibenden Männer diese Sorten schon als alte kannten, um wenigstens 250 Jahre zurück verfolgen, wobei wir an passenden Orten diese Obstvarietäten noch sehr gesund sehen, die, nach Knight’s Theorie, längst ihrem völligen Tode verfallen seyn müßten, da man nach allen Erfahrungen kaum glauben mag, daß ein einzelner Obstbaum (vor Allem Kirschen oder Pflaumen, die wir schwerlich nur 100 Jahre, bis zu Knoop hinauf, verfolgen könnten) ein solches Alter zu erlangen vermöge. Ein vielleicht noch auffallenderes Beispiel bringt Hogg in seiner Brittish Pomology (London 1851) bei dem Apfel Winter Pearmaine, der ohne Zweifel unsere köstliche und gesunde Carmeliter Reinette ist, von dem er sagt, daß er einer der ältesten englischen Aepfel und schon um 1200 gebaut sey, und dabei bemerkt: welch’ schlagendes Beispiel gegen Mr. Knight’s Theorie! Es ist auch Herr van Mons selbst der Meinung, daß keine unserer Obstvarietäten über 300 Jahre hinauf reichen werde, ja, öfter nimmt er eine noch kürzere Lebensdauer an, und meint z. B., daß man es oft bedauern möchte, denken zu müssen, daß manche früher herrliche Früchte, eine St. Germain, Beurré gris, Colmar etc., sehr bald nicht mehr existiren würden, indem 50 Jahre weiter völlig hinreichen würden, sie in Unfruchtbarkeit, Krebs, Grind, Aufbersten der Früchte etc. den Gipfel ihrer Leiden erreichen zu lassen und sie dem Tode zu überliefern, oder wenigstens die Nothwendigkeit ihrer Unterdrückung herbeizuführen. Freilich, was nimmt man, einer aufgefaßten Theorie zu Liebe, nicht oft an! Unlängst schrieb mir ein forschender Gartenfreund, daß einer der hauptsächlichsten Anhänger der Ablebungstheorie der Sorten unter uns, behauptet habe, daß in England Ribston’s Pepping bereits ganz ausgestorben sey, und unser Edler Winter-Borsdorfer mit Nächstem nachfolgen werde. Jeder kundige Pomologe wird dem Herrn die Versicherung geben können, daß beide hohe Patienten, sowohl in England als Deutschland, in passendem Boden sich noch sehr wohl befinden, und es noch Bäume des Borsdorfers genug gibt, die sehr groß, völlig gesund und wuchshaft sind und malterweise tragen, während Verhältnisse, wo der Borsdorfer nicht wachsen will und wenig trägt, sich nicht erst von gestern datiren, da das in sandigem, trockenen Boden immer so war, und auch Wildenow in seiner Eingangs gedachten Schrift anführt, daß schon Rammelt anmerke, wie ihm nur 1 Stunde von Orten entfernt, wo der Borsdorfer sehr gut gedeihe, andere höher gelegene Ortschaften bekannt seyen, wo er nicht fort wolle und auch durch mehrmals hinaufgeholte neue Pfropfreiser nicht zu gutem Gedeihen habe gebracht werden können. Es sind aber auch zu viele analoge Erfahrungen dagegen, daß das, was wir nur durch Reiser oder Ableger, Stecklinge etc. (welche ja auch bloße Verlängerungen desselben Individuums sind) fortpflanzen, zuletzt die Spuren des Alters und der Vergänglichkeit irdischer Dinge an sich trage. Die Weiden, Pappeln, Linden, pflanzen wir seit uralten Zeiten durch Stecklinge fort, ja, sie kommen nicht einmal, wie die Obstreiser, auf die Wurzel eines jungen Individuums, und doch klagt Niemand, daß deren Stämme sehr klein blieben, kränkelten, früh alt und vergänglich seyen. Unter unsern Weinstöcken,

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_321.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)