Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 311.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ganzen Winter hindurch halte, und keine Herbstfrucht sey. Meine Angabe stützte sich auf Früchte, welche Hr. Kunstgärtner Hartwig zu Lübeck vor mehreren Jahren mir sandte, die völlig der hiesige Prinzenapfel waren, und an denen ich auch, wahrscheinlich weil der Sommer warm gewesen war, nicht eben längere Dauer bemerkt habe; so wie auch die Vegetation der jungen Bäume in der Baumschule dieselbe ist. Ohne Zweifel liegt die längere Dauer nur an Lübecks nördlicherer Lage; wie z. B. auch bei uns der Rothe Herbstcalvill, der, wenn er am Baume ziemlich reift, sich nicht viel über 4 Wochen hält, dann aber delikat schmeckt, in kühlen Jahren sich bis Weihnachten oder Ende Januar hält. Ich werde aber auf die angegebene Verschiedenheit weiter aufmerksam seyn, und Probezweige auf denselben Baum neben einander bringen.

Jeinsen, im December 1854.




Zur Beseitigung der Namenverwirrung in der Pomologie.

Ueber die Namenverwirrung in der Pomologie klagen die Theoretiker wie die Praktiker mit gleichem Rechte, und es sind schon mancherlei Versuche gemacht worden, dieses Uebel zu heilen. Die pomologischen Schriftsteller haben, seit Oberdieck damit wieder rühmlich vorgegangen, mit erneutem Eifer die Synonymen gesammelt und dadurch aufmerksamen und gründlichen Obstzüchtern allerdings ein neues Mittel geboten, sich durch die Irrgänge dieser Wissenschaft hindurch zu winden. Nur darf es ihnen dabei nicht an gehöriger Muse, Ruhe und Beharrlichkeit fehlen. Sonst werden sie vor den Synonymen in v. Biedenfeld’s „Handbuch aller bekannten Obstsorten“ nicht minder zurückschrecken als vor denen in Dochnahl’s „Sicherem Führer zur Obstkunde.“ Zum Beleg will ich nun den Rothen Stettiner anführen, für den v. Biedenfeld 60 Synonymen ohne Autorennamen, Dochnahl aber zuerst ebenfalls 60 ohne deren Autoren und dann noch 14 mit Angabe der Autoren aufzählt, so daß man, wenn dieser Namen-Sammlerfleiß noch weiter fortschreitet, wohl fürchten muß, mit der Zeit jeder nur einigermaßen verbreiteten Obstsorte fast unter allen nur möglichen Namen zu begegnen. Es dürfte daher auch hierin bald ein bestimmtes Maß zu halten seyn, indem man sich z. B. auf die Synonymen beschränkt, die entweder in anerkannten pomologischen Werken gebraucht sind, oder für die man wenigstens die Gegend bestimmt anführen kann, in welcher sie allgemein in Gebrauch sind, wie dieß Letztere namentlich Lucas in seinen „Kernobstsorten Württembergs“ gethan hat. Dabei wird es aber, trotz der sorgfältigsten Beschreibungen, noch immer möglich bleiben, daß man unter einem und demselben Namen in zwei verschiedenen Gegenden zwei äußerlich wohl ähnliche, dennoch aber verschiedene Obstsorten baut und an beiden Orten ächt zu haben glaubt. Noch häufiger aber wird trotz den ausführlichsten und genauesten Beschreibungen der andere Fall vorkommen, daß man nämlich in verschiedenen Gegenden eine und dieselbe Obstsorte lange unter zwei verschiedenen Namen fortzüchtet und selbst in pomologischen Werken beschreibt, ohne ihre Identität zu ahnen. Ueberhaupt können die Bücher mit ihren Abstractionen nie die Sinnenwahrnehmungen, denen diese entnommen sind, ersehen, zumal bei einer Wissenschaft, wo die feinsten Unterschiede, für welche die gewöhnliche Umgangssprache oft nicht einmal eine

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_311.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)