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Dafür werden aber auch alle die nach der äußeren Beschaffenheit der Früchte verwandten Sorten beisammenstehen, und es wird die folgende Betrachtung zeigen, daß die Beschaffenheit des Fleisches weit mehr nicht leicht abzusondernden Zufälligkeiten unterliegt, als die Form. Durch die Beachtung der Vegetation des Baumes bei der Classifikation würde aber nicht nur ein sehr unsicherer, sondern auch ein ganz außerhalb der Frucht liegender Moment in die Sache gebracht werden.[1]

Uebrigens ist es gewiß sonderbar, daß gerade die Gegner der Form und Farbe bei den Kernobstsorten sehr häufig den Unterschied der Sorten und selbst ganzer Classen in Form und Farbe setzen.[2] So hat ja Diel selbst bei der Classe der Kant-Aepfel und bei den Spitz- und Platt-Aepfeln (obschon auf eine zur sichern Bestimmung ungenügende Weise)[3] und durchgängig bei den Ordnungen der Birnen, die Form der Früchte zum Grunde gelegt. – Spätere Pomologen haben bei ihren Classifikationen der Kernobstfrüchte die Form weit mehr berücksichtigt[4] und Diel selbst scheint auch von seiner Meinung etwas zurückgekommen. Schon im 5. Hefte, S. 3 sagt er: „Bloß also die Form der Früchte in Verbindung mit der Vegetation des Baumes sind die zwei Fundamente der wahren Natur, wodurch wir ein natürliches Birnensystem errichten können;“ im 10. Heft, S. 22 bemerkt er: „Größe und Form berechtigen aber nur, einem anderen Apfel den Geschlechtsnamen seines Vorgängers beizulegen;“ und in dem Heft XXVI, S. 177, nennt er das System nach den Formen das natürliche. Auch van Mons scheint die Form als das Charakteristischste des Kernobstes anzusehen, da er in neuerer Zeit mehrere seiner Früchte nach der Form, z. B. Forme de Marie Louise, Forme de Délices etc. benannt hat. – Auch sagt Liegel in seiner systematischen Anleitung zur Kenntniß der Pflaumen 1838, H. I, S. 65: „Es ist aber äußerst schwer, ein gutes Obstsystem zu entwerfen, da sowohl die Formen der Früchte, als die Vegetation ihrer Bäume in einander übergehen, indem die Natur keine schroffen Abschnitte kennt. Das beste System wäre immer jenes, welches bloß die Form der Frucht zur Grundlage nehmen würde“, und von Aehrenthal in der Vorrede zum 2. Band, S. V, räth dem Anfänger, sich vorzugsweise an die Form zu halten.

Es ist daher keineswegs etwas Neues, wenn ich versuche, ein System der Kernobstfrüchte


  1. Wollte man aber, wie Schmidberger a. a. O. zu meinen scheint, Form und Farbe bei den Kernobstsorten gar nicht gelten lassen, so müßte man auf jede Abbildung derselben verzichten, und warum soll bei diesen Früchten ein anderes Verhältniß stattfinden, als bei anderen Obstarten, z. B. bei Pflaumen, Trauben etc., bei denen man kein Bedenken getragen hat, Form und Farbe hauptsächlich zu berücksichtigen?
  2. Vgl. Schmidberger a. a O. III, S. 43, wo er von einer Reinettenform spricht, ferner S. 45, 52, 80, 81, 86, 90 etc.
  3. Vgl. Diel, H. I, S. 34. – Um nur Einiges zu erwähnen: Diel’s Spitz-Aepfel sollen gegen den Kelch stets verjüngt zulaufen, demungeachtet hat er noch walzenförmige und zugespitzte Spitz-Aepfel, was einander widerspricht etc.
  4. Waitz hat eine Eintheilung der Bastard-Calvillen, der Schlotter-Aepfel und der Rosen-Aepfel nach der Form vorgeschlagen; Fritsch hat in seinem Birnsystem hauptsächlich auf die Form der Früchte Rücksicht genommen, und auch Koch, Lucas und Hlubeck machen von der Form der Früchte in ihren Systemen Gebrauch.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_304.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)