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Endlich ist die Verschiedenheit des Umrisses des Querdurchschnitts der Frucht, und zwar in der größten Breite der Frucht, horizontal geführt, zu betrachten, welcher sich theils kreisrund, theils mehr oder weniger fünfeckig, mit fünf mehr oder weniger abgerundeten oder scharf hervorstehenden Kanten oder Rippen, welche in der Regel[1] den Kanten der Kernfächer entsprechen, theils mit fünf dazwischen liegenden Kanten oder Rippen, also zehnfach gerippt, zeigt.

Innerhalb der Gränzen dieser sich hiernach bestimmenden einfachen und hinreichenden Spielraum lassenden Formen, gibt es aber freilich eine unendliche Menge von Abstufungen und Uebergängen, worin eben das Eigenthümliche der Form bestimmter Sorten besteht. Es geht aber auch hieraus hervor, daß sich die Formen der Kernobstfrüchte im Allgemeinen wohl mathematisch konstruiren und hinreichend genau mit Worten beschreiben lassen, während die Normalform jeder Sorte mit Worten nur im Allgemeinen mit Beziehung auf die gedachten Hauptformen, jedoch nicht hinlänglich genau, deutlich aber nur durch Zeichnung oder Abformung darzustellen ist. Es waltet bei den Kernobstfrüchten dasselbe Verhältniß ob, wie bei andern organischen Körpern. Die Formen organischer Körper können nur in ihren allgemeinen Umrissen mathematisch konstruirt und mit mathematischen Figuren verglichen werden. Nur in den unorganischen Körpern herrscht mathematische Strenge. Zur zweifellosen Unterscheidung der Sorten, hinsichtlich der Form, ist daher durchaus eine Abbildung der Normalform jeder Sorte erforderlich.

Viele Pomologen, namentlich auch Diel, sehen die Form der Kernobstfrüchte als etwas zu Veränderliches an, um davon ein Unterscheidungsmerkmal hernehmen zu können, wollen also eine Normalform nicht anerkennen, obschon sie sämmtlich die Form jeder Sorte beschreiben und zum Theil abbilden. – Ich theile diese Ansicht nicht, wenn ich gleich zugebe, daß man auf die Weise, wie man seither die Form der Kernobstfrüchte betrachtete, abbildete und besprach, zu keinem brauchbaren Resultate gelangen konnte. Die Klage über die Verschiedenheit der Form der Früchte einer Sorte, eines Baumes etc., die wir so häufig in den pomologischen Werken finden, wird sich durch Festhaltung des oben aufgestellten Satzes:

daß nur von der Form der vollkommenen regelmäßigen Früchte (deren Begriff oben festgestellt worden)[2] und nach mehrmaliger regelmäßiger oder ungestörter Tracht die Rede seyn könne,

schon sehr beschränken, da seither von den Pomologen hierauf zu wenig Rücksicht genommen worden ist. Obgleich Diel an mehreren Stellen seiner Schriften über die Veränderlichkeit und Verschiedenheit der Formen der Kernobstfrüchte klagt, so erkennt er doch später im 24. Heft, S. 318 selbst


  1. Ich sage in der Regel, weil mir doch schon Ausnahmen vorgekommen sind. So entsprechen z. B. die fünf Abrundungen des Sternapfels nicht den Kernfächern, sondern die Einbiegungen treffen auf die Kernfächer.
  2. Also nach erfolgter Ausscheidung aller unvollkommenen, nicht völlig ausgebildeten oder verkrüppelten Früchte. Ganz besonders weichen die unausgewachsenen, unvollkommen gebliebenen Früchte von hohen Aepfeln oder langen Birnen, von den vollkommenen auffallend ab. – Es ergibt sich aber schon hieraus, wie unangemessen zu Bestimmung der Normalform der Rath mancher Pomologen ist: „aus einer vorhandenen Anzahl Früchte diejenige Form auszuwählen, welche der größere Theil derselben hat.“ Vgl. Dittrich I, S. 34.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_290.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)