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oder gestörter Gesundheit des Baumes seyn kann;

theils durch die Einwirkung der Sonne.

In letzterer Beziehung ist zu bemerken, daß die meisten Kernobstfrüchte, insbesondere die großen und mit lockerem Fleisch begabten Sorten, sich auf der Sonnenseite meist stärker ausbilden, sich hier stärker und höher wölben, als auf der Schattenseite, so daß dadurch die beiden Hälften der Früchte ungleich werden. Bekanntlich gibt Diel als Hauptkennzeichen der Klasse der Rambours die zwei ungleichen Hälften der Frucht, in dem nämlich die eine Seite niedriger als die andere seyn soll, an. Sonderbarer Weise sagt er aber Heft II, S. 55, bei dem sauern Winterrambour von den Rambour’s im Allgemeinen: „diese Klasse großer Aepfel hat bei den Mittelsorten oft eine schöne Regelmäßigkeit, und die eine Hälfte ist nicht größer, als die andere. Nur die recht vollkommenen Stücke haben dieses Kennzeichen (nämlich die Ungleichheit der Hälften), welches aber nicht specifisch ist.“ Er sieht also die größten unregelmäßigen Stücke fälschlich für die vollkommenen an und nennt doch dieses Kennzeichen selbst „nicht specifisch“ (d. h. nicht eigenthümlich), obgleich er es als Kennzeichen der ganzen Klasse aufstellt.

Alle dergleichen, wie man sieht, von besonderen Umständen und Zufälligkeiten entstehenden Unregelmäßigkeiten der Kernobstfrüchte können begreiflicher Weise nicht berücksichtigt werden, wenn von der Form der Früchte die Rede ist.

Es ist jedoch zwischen der Form der Kernobstfrüchte im Allgemeinen und der Normalform der einzelnen Sorten zu unterscheiden. Unter der ersteren verstehe ich nämlich die Formen, welche sich naturgemäß (wie oben bemerkt) aus der Anlage der Kernobstfrucht von selbst entwickeln und sich daher ohne Schwierigkeit auf gewisse Hauptformen beschränken lassen, unter welche die Form jeder einzelnen Sorte sich einordnen lassen muß. Unter Normalform der Sorte verstehe ich aber diejenige Form, welche jeder Sorte bei naturgemäßer und freier Entwickelung eigenthümlich ist.

Betrachtet man zuvörderst die Formen der Kernobstfrüchte (ohne Rücksicht auf die Kelch- und Stielvertiefung zu nehmen) im Allgemeinen genauer, so findet man bald, daß die Verschiedenheiten derselben auf sehr einfachen Abänderungen der Kugelform beruhen. Zuerst springt die Verschiedenheit des Verhältnisses der Höhe der Frucht (der Länge, vom Stiel zum Kelche) zur Breite derselben (dem Durchmesser) in die Augen. Es gibt hier nur drei wesentliche Verschiedenheiten; die Frucht ist entweder breiter als hoch, oder ziemlich so breit als hoch, oder höher als breit, und es wird gut seyn, die mittlere Abtheilung als zu unbestimmt ganz unberücksichtigt zu lassen. Sodann kommt die Verschiedenheit der Abrundung oder Zuspitzung der Frucht nach oben und unten in Betrachtung, wobei in der Hauptsache nur folgende Fälle eintreten können:

a) nach oben und unten ziemlich gleichmäßig abgerundet;

b) nach oben und unten nicht abgerundet, sondern verjüngt (zugespitzt) zulaufend;

c) nach unten, d. h. nach dem Stiel zu, abgerundet und nach oben, d. h. nach dem Kelche zu, verjüngt zulaufend;

d) nach unten verjüngt und nach oben abgerundet.

a und c kommt besonders bei den Aepfeln, a, b und d besonders bei den Birnen vor.

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_289.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)