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wie jede Pflanze, entwickelt sich nach bestimmten Normen. Die Urform des vegetativen Lebens ist die Kugel. Ich gehe daher auch bei der Form der Kernobstfrüchte von der Kugel aus und jede Abweichung von derselben muß wesentlich und bestimmt seyn, wenn sie Berücksichtigung und Geltung verdienen soll. Die Grundlage der Kernobstfrucht ist die Kapsel,[1] welche im horizontalen (Quer-)Durchschnitt bei gehöriger Ausbildung fünf gleiche Fächer, welche sternförmig um die Axe zusammengestellt sind (also keine Verschiedenheit von rechts und links von der Axe ab ergeben), im senkrechten (Höhendurchschnitt) aber, d. h. in dem durch die Axe (die Linie vom Mittelpunkt des Kelchs nach dem Stiel zu) gehenden Schnitt, eine Verschiedenheit von oben (nach dem Kelch) und unten (nach dem Stiel zu) zeigt und hier bald abgerundet, bald lang, gezogen und zugespitzt in mannigfachen Abänderungen erscheint. –

Diese Kapsel wird in gewissem Abstande von 10 Gefäßbündeln umgeben, welche das Wachsthum und die Ernährung des die Kapsel bedeckenden Fleisches bewirken und das Kernhaus bilden. – Fünf dieser Gefäßbündel, – welche in der Regel etwas stärker sind, als die fünf übrigen zwischen ihnen liegenden, – entsprechen genau den Fächern der Kapsel, die fünf andern stehen in gleichen Abständen zwischen ihnen und treffen also auf die Vertiefungen zwischen den Fächern. –

Stehen diese Gefäßbündel, – im Querdurchschnitt der Frucht betrachtet, – in gleicher Entfernung von der Axe, und sind sie gleich stark ausgebildet und mit Fleisch überdeckt, so erscheint die Frucht im Querdurchschnitt rund; stehen aber fünf der Gefäßbündel weiter von der Axe ab, oder sind stärker ausgebildet und legt sich hier eine stärkere Schicht Fleisch an (was jedoch in der Regel nur bei den auf die Fächer der Kapsel treffenden der Fall ist), so bildet die Frucht im Querdurchschnitt ein mehr oder weniger abgerundetes Fünfeck, zuweilen wieder mit dazwischen liegenden Erhabenheiten versehen, und es entsteht so (was besonders bei den Aepfeln vorkommt) eine fünf- oder zehnkantige oder fünf- oder zehnfach gerippte Frucht. Im Höhendurchschnitt betrachtet, umgeben die Gefäßbündel, vom Stiele auslaufend, – welcher sich mehr oder weniger in die Frucht erstreckt – und sich wieder an der Kelchhöhle vereinigend, in verschiedenen Formen von der breitgedrückten Kugel bis zur langgezogenen Spindelform die Kapsel, und es bilden sich dadurch, indem das Fleisch ziemlich dieser Form folgt oder sich an gewissen Stellen stärker auflagert, der Stiel mehr oder weniger lang sich in die Frucht fortsetzt, alle Formen der Apfelfrucht (poma, Apfel oder Birnen), welche im Höhendurchschnitt plattrund, kugelrund, walzenförmig, oben oder unten oder nach beiderlei Richtungen verjüngt, einfach und doppelt kegelförmig erscheint, und hierauf gründet sich also die Verschiedenheit der Form der Früchte. Sehr richtig bemerkt aber Schleiden a. a. O. S. 88: „Abgesehen von allen andern Schwierigkeiten, sind wir bei der blosen Bezeichnung der einzelnen organischen Formen außer Stand gesetzt, uns scharf bestimmter geometrischer Ausdrücke zu bedienen, und wir können uns nur durch Vergleichungsformeln und eine eigenthümliche daraus entwickelte, aber natürlich ihres Ursprungs wegen sehr schwankende Kunstsprache helfen.


  1. Vergl. meinen Aufsatz über den Unterschied zwischen Apfel, Birne und Quitte in dieser Zeitschrift, Heft 4., J. 1855.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_287.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)