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Mahalebkirsche geschieht, indem sie wohlfeiler zu haben und auf mehreren Boden fortkömmt, aber ein Mißgriff ist, der sich nicht rechtfertigen läßt und mich eigentlich zu dieser Abhandlung veranlaßte; indem eine ganze derartige Kirschbaumpflanzung nach kurzer Zeit einging, also nicht allein Geld, sondern die nicht zu ersetzende Zeit verloren wurde. Den Stämmen und dem Wachsthum dieser Bäume, als man sie in der Pflanzschule ausgewählt hatte, nach zu urtheilen, konnte man das vollste Vertrauen in ihr ferneres Fortkommen setzen. Die Pflanzung wurde mit großer Sorgfalt ausgeführt und alles angewendet, um das Anschlagen dieser schönen Bäume zu begünstigen: allein statt kräftigen jungen Trieben, erschien im ersten Jahre nur eine schwache Belaubung der Kronen.[1] Im zweiten Jahre erfolgte nicht viel mehr, ja, es gingen schon viele zu Grund, an denen man beim Ausgraben keine neuen Saug-, sondern nur Pfahl- und wenige Haftwurzeln fand. Diese Erscheinung erklärte sich einfach dadurch: daß die Mahalebkirschstämme, welche diesen Bäumen zu Unterlagen, ohne Rücksicht auf Süß- oder Sauerkirschen, dienten, in der Jugend nicht oft genug verpflanzt worden waren, und diese Strauchart selten mehr Saugwurzeln aus dem alten Wurzelstock erzeugt. Dazu gesellt sich noch ein zweiter Uebelstand, nämlich der: daß die Stämme in rauhen Lagen leicht erfrieren, häufig der Länge nach aufspringen;[2] denn der Mahalebkirsche eigentliche Heimath ist das südliche Europa, oder sie erscheint nur in geschützten Thälern und Abhängen der Alpen oder Flußgebieten Deutschlands. Dagegen leistet sie für Amarellen, vorzüglich aber für die Weichseln, zu Strauch- oder Spalierformen treffliche Dienste, und kommt recht gut im steinigen Kalkboden fort. Immerhin müssen die Saamenpflanzen vor der Veredlung, und noch einmal nach der Veredlung verpflanzt werden, damit sie ein reiches Wurzelvermögen vor dem Versetzen an ihren Standort erlangen, das nur allein ihr Fortkommen sichert. Die zweckmäßigste Veredlung geschieht bei dünnen Stämmchen durch’s Copuliren, bei dicken durch’s Propfen in den Spalt; das Oculiren schlägt selten an, weil sich die Rinde nicht gut löst. Dagegen ist diese Veredlungsart für die übrigen Steinobstsorten besonders zu empfehlen, weil durch das raschere und bessere Verwachsen der Harzfluß und andere Uebel vermieden werden. Zur sicheren Annahme dieser Bemerkungen diene folgender Thatbestand: – Im K. Schloßgarten zu Schleißheim (der rauhesten und dürftigsten Gegend Münchens) befinden sich mehrere auf die Mahalebkirsche veredelte Weichselsträucher von großem Umfang im vollkommensten Zustande und Fruchtbarkeit auf dürftigem, eisenhaltigem Kalkboden, die alle in diesem Jahrhundert vorübergegangenen strengen Winter ohne Nachtheil ertragen haben. Sie sind über dem Boden veredelt, haben einen kurzen, 1 Fuß dicken Stamm, der schon von einem geringen Schneefall gegen die Kälte geschützt wird. Während ihrer Blüthezeit und Fruchtreife erregen sie allgemeine Bewunderung und geben manchem Besucher Veranlassung zur Anpflanzung derlei Bäume, besonders solchen, die

vom Vorurtheil befangen sind, „im rauhen


  1. War wohl ein etwas zu trockener Boden. O.
  2. Dieß geschah in den Wintern 1827–29 und dreißiger Jahren, in welchen ganz erwachsene Pflanzungen in den K. Gärten der Umgebung Münchens bis auf den Grund erfroren sind, und bloß durch Stockausschlag die Lücken wieder ausfüllten.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_260.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)