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besitze, der vom Mutterstamme zwar im Wachsthum und in der Tragbarkeit wesentlich abweicht, dabei aber gleichwohl Früchte liefert, die unter die des Mutterstammes gemischt, kaum wieder herauszufinden sind. Die Zwetschen aber finde ich an Größe, Güte, Tragbarkeit, Frühzeitigkeit und Löslichkeit des Fleisches vom Stein unter einander so verschieden, daß ich mich nicht genug wundern kann, wie wenig dieß oft auf den Obstmärkten und selbst von Obstkennern anerkannt wird. Aber man betrachte nur eine einzige Pflanzung zur Zeit der Blüthe oder der Früchtereife recht aufmerksam, und man wird mir beistimmen, wenn ich behaupte, daß wenn die ganze Pflanzung, statt aus einem Gemeng verschiedener Zwetschensorten, aus ebenso viel Bäumen der darunter befindlichen edelsten Sorte bestände, ihr Werth leicht der doppelte seyn könnte. Es würde sich daher wohl der Mühe lohnen, die geringeren Sorten mit den besseren zu veredeln, oder lieber nur von den edelsten und besten Sorten Ausläufer zu pflanzen. Denn in der Veredlung der Pflaumenbäume sind die gewöhnlichen Pfropfer nur selten glücklich.

Ed. Lange.



Ueber zweckmäßige Anwendung verschiedener Holzarten zu Unterlagen zur Veredlung unserer Obstsorten.

Nach den physiologischen Grundsätzen beruht das sichere Gelingen d. h. Verwachsen des Edelreises mit der Unterlage (Wildstamm) auf der Uebereinstimmung (Analogie) der Organisation der Unterlage mit der darauf zu setzenden Pflanzenart. Diese Regel wurde anfänglich genau und so lange befolgt, bis Gewinnsucht und das Streben, frühere Blüthen und Fruchtbarkeit zu erzielen, Veranlassung gab, andere diesem Zweck entsprechendere Unterlagen zu ermitteln. So kam es, daß statt des wilden Apfelbaumes, das Johannisstämmchen, die Quitte für den Birnbaum und dergl. mehr zu Unterlagen gewählt wurden; kurz, man nahm zu dem erwähnten Vorhaben nur solche Pflanzenarten, welche eine entgegengesetzte Ausbildung beim unter- und oberirdischen Stamm befolgen, also keine Bäume, sondern nur Sträucher sind, um deren Eigenschaften, wenn auch nur theilweise, dem veredelten Theil anzueignen. Dieser Wechsel der Unterlagen übt insofern keinen Nachtheil auf die veredelten Individuen aus, als der Baumzüchter die künftige Form und die darauf passende Obstsorte, außerdem aber auch ihren künftigen Standort berücksichtiget, weil er nur nach dieser Maßnahme dauerhafte und schöne fruchtbare Zwergbäume erziehen wird. Nun findet man aber in der Neuzeit häufig Obstbäumchen, welche wohl auch Unterlagen aus derselben Familie veredelt, aber anderer Gattung als das Edelreis sind, und daraus entspringen mancherlei Uebelstände: als z. B. der sehr wesentliche, wenn nämlich die Unterlagen zarter Natur, daher empfindlich gegen rauhe Klimate sind, wie das bei der Quitte, dem Mandelbaum und vielen andern der Fall ist, dann gehen sie früher ein. Oder ist die Holzbildung von festerer Beschaffenheit, wie bei der Eberesche, Mehlbeer oder gar dem Weißdorn; so findet Mißbildung statt, indem der Edelstamm entweder in seiner eigenthümlichen Ausbildung zurückbleibt, oder er überwächst die Unterlage so, daß er dicker (wulstig) wird, dadurch dem Windbruch unterworfen ist. Oder es werden strauchartige Individuen zur Erziehung hochstämmiger Bäume gewählt, was jetzt häufig mit der

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Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_259.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)