Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 246.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kränklichkeit der Obstbäume wird daher wohl weder in der Anzucht gepfropfter Stämme, noch in dem Alter der Sorte, noch in deren Neuheit, sondern in andern Umständen liegen, und muß nur so viel zugegeben werden, daß die neueren Samensorten, als vom ersten Keime an mehr in unserem Boden und Klima entsprossen, öfter und leichter als die alten Sorten, unserem Klima und verschiedenartigem Boden sich anpassen werden, während es jedoch nicht wenige alte Sorten gibt, die in allerlei Boden und Lagen gesund, wuchshaft und sehr tragbar sind. – Was die Haltbarkeit der Obstbäume im Froste betrifft, so ist es wahr, daß ein Holzapfel bei uns vom Froste nicht leidet; er ist das rohe Kind unserer Natur und leidet nur, wenn auch Eichen erfrieren. Aber soll dasselbe von allen aus Edelkernen gezogenen Sämlingen gelten, so muß ich das verneinen. Bei Lüneburg kannte ich mehrere Pflanzungen von unveredelten Apfelstämmen (eine zählte gegen 100 Bäume und wuchs sehr gesund), die in dem Winter von 1822, wo so viele Obstbäume erfroren, sich wenig oder gar nicht besser hielten, als veredelte Obstbäume älterer Sorten von gleichem Alter, gleicher Gesundheit und in gleichem Boden. Und als mir in Nienburg im März 1845 fast die Hälfte der Baumschulenstämme bis gegen die Erde hin erfror, wo hoher Schnee geschützt hatte, traf das nach den gesammelten Notizen ziemlich zu gleichen Theilen ältere Obstsorten und neuere Samensorten auch viele Birnstämmen unter denen, die ich ohne Namen von v. Mons erhalten hatte, während nicht wenige[WS 1] ältere Sorten diesen fast unbeschädigt überstanden. Selbst in dem Winter 1822, wo sogar manche Eichen erfroren, hielten sich nicht wenige Stämme alter Obstsorten gut und wären wohl noch weit mehrere am Leben geblieben, wenn nicht aus andern Ursachen, als durch Veredlung und Alter der Sorte, die Obstbäume in unsern Gärten so oft krank und schlecht wären. Auch läßt sich mit Grund hoffen, daß die feineren, gegen den Frost empfindlicheren Sorten sich noch immer mehr an unser Klima gewöhnen werden; denn während sie in Frankreich von 15 Kältegraden R. leiden, ertragen sie bei uns schon einen Winter von 26 Graden ohne Nachtheil. Und da wir jetzt eine so reiche Auswahl guter Sorten haben, so kann man ja die gegen den Frost zu empfindlichen Sorten meiden, ohne daß wir das Veredeln aufzugeben brauchen.

Auch der Krebs, der sich allerdings in unsern Obstpflanzungen nicht selten zeigt, ist nicht den veredelten Stämmen, als solchen oder den alten Sorten eigen, sondern findet sich besonders bei einzelnen Sorten, als Aechter rother Winter Calville, Weißer


andere, und mögen im Allgemeinen nur so viel bereits behaupten können, vielleicht selbst nicht einmal ohne manche Ausnahmen, daß eine Obstsorte um so empfindlicher ist, je edler sie ist und je mehr sie von der wilden Stammfrucht[WS 2] sich entfernt, und daß die aus wärmeren Klimaten, aus Frankreich, Italien etc. zu uns gekommenen Früchten in der Regel durch schädliche Einflüsse mehr leiden, als die, welche in Deutschland oder einem dem unsrigen mehr ähnlichen Klima entstanden sind. Hier ist noch ein weites Feld zur Einsammlung sicherer Erfahrungen, die erst längere Beobachtung und vor allen Dingen allgemeinere richtige Bekanntschaft mit den rechten Obstnamen uns geben kann.

Bemerken will ich hier noch, daß man auch bei Ausbruch der Kartoffelkrankheit den Grund des Uebels gleich darin finden wollte, daß unsere Kartoffelsorten ausgeartet seyen und sich überlebt hätten, und Heilung von der Anzucht von Sämlingen erwartete, während die Erfahrung bis jetzt allermeist gezeigt hat, daß die Sämlinge bald ebenso gut der Krankheit unterlagen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: weniger (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  2. Vorlage: Samenfrucht (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_246.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)