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kerngesunde Pyramide auf Quitte, die fehlerfreie, fast einmal so große Früchte brachte, als gewöhnlich, in Nienburg fand sich vor der Stadt kein gesunder Baum der Beurré blanc, in der Stadt wuchsen Pyramiden und Hochstämme in schwärzerem, tiefgehendem Boden (ganz ebenso, wie die Graue Dechantsbirn) eine Zeitlang sehr gut, litten dann, wenn die Wurzeln tiefer gingen, mehr oder weniger an Grind und Absterben der Sommertriebe, trugen aber noch ziemlich voll und meistens gute, nur in nassen Jahren sehr fleckige Früchte, und hier bei Jeinsen finde ich die Stämme der Beurré blanc, anscheinend je nach dem trockeneren oder frischeren Boden, bald mehr krank, bald gesund. Die Herbstbirn ohne Schale und die Lansac des Quintinye wuchsen als Pyramide in Sulingen frech, aber hatten nach 15 Jahren kaum noch etliche Früchte getragen; in Nienburg vor der Stadt wuchs ein gesund gepflanzter Hochstamm 12 Jahre lang ziemlich rasch, doch mit viel Grind, und blühete und trug nicht, und im Garten in der Stadt hatte ich nicht bloß zwei große, gesunde, tragbare Probezweige, sondern die Pyramide der Herbstbirn ohne Schale gehört zu den gesundesten, schönsten und tragbarsten im ganzen Garten, während die mit ihr wohl identische Lansac, – wahrscheinlich durch ihren Unterstamm, indem sie auf die Brüsseler Herbstmuskateller überpfropft war, am Verdorren einzelner Spitzen der Sommertriebe und Auszehrung einzelner Aeste litt, die jährlich kleinere Blätter bekamen und theils abstarben. Beispiele der Art könnte ich noch in beträchtlicher Zahl beibringen, muß aber bemerken, daß ich dieselben Fehler, je nach dem Boden, ebenso gut an neueren Samensorten gesehen habe, und es verhielten z. B. Loire de Mons; Fousalou, Beurré Beauchamp, Zschocke’s Butterbirn (erzogen in Landsberg von Burchardt) sich ganz ebenso, wie die Beurré blanc, während andere Samensorten ebenso wie die alte Römische Schmalzbirn an Grind und häufigem Absterben der Sommertriebe und kleinern Aeste litten und kaum einmal

eine Frucht trugen.[1] Gesundheit oder


  1. Auch Herr Dochnahl führt S. 114 seiner Eingangs gedachten Schrift eine Anzahl solcher neueren Früchte auf, die nicht gedeihen wollen und an den Fehlern litten, die man auf die älteren Sorten schiebe. Ich muß jedoch bemerken, daß das Urtheil nicht bei allen der aufgeführten Sorten zutreffend ist, und daß z. B. Villain XIV, Liebart, Knox, Dillens Herbstbirn, Fourcroy, Egmont, Enghien, St. Ghislain (ist auch alte Sorte und identisch mit der Holländischen Feigenbirn), Henkel’s Schmalzbirn, Oken, Onkel Peter Sinclair (identisch mit der Volltragenden Bergamotte, die ihren Namen verdient und so stark wächst, als treffliche Früchte bringt, Augustine, Argenson’s Butterbirn Sorten sind, die ebenso gesund wachsen, als ihre Früchte theils schätzbare Tafelbirnen, theils gute Haushaltssorten sind.
    Auch dem mag ich nicht beitreten, was Hr. Dochnahl S. 29 über die Rangfolge beibringt, in welcher die Obstarten ständen hinsichtlich ihrer größeren Empfindlichkeit gegen schwächende und krank machende Einflüsse; daß unter den Aepfeln am empfindlichsten seyen die Calvillen, dann folgten die Rosenäpfel, Gülderlinge, Reinetten, Ramboure, Schlotterapfel, Streiflinge und zuletzt die Troßäpfel; daß die Birnen sich so rangirten, daß die schwächesten seyen die Bergamotten, dann folge der größte Theil der Butterbirnen, die Pomeranzenbirnen, Weißbirnen, Rousseletten, Musktateller, Gewürzbirnen, Schmalzbirnen, Knackbirnen, Pfundbirnen, Schmeerbirnen, Kochbirnen; daß bunte und noch mehr gelbe Kirschen empfindlicher und schwächer seyen, als schwarze; härter diejenigen Pflaumensorten, die sich aus dem Steine ächt reproduzirten, als andere. Das alles sind, nach meiner Ansicht, zur Zeit noch völlig unerwiesene Behauptungen für welche zuverlässige und allgemeinere Erfahrungen nicht sprechen. Wir wissen kaum von einer Zahl einzelner Sorten mit einiger Gewißheit, daß sie empfindlicher und schwächer seyen als [246] andere, und mögen im Allgemeinen nur so viel bereits behaupten können, vielleicht selbst nicht einmal ohne manche Ausnahmen, daß eine Obstsorte um so empfindlicher ist, je edler sie ist und je mehr sie von der wilden Stammfrucht[WS 1] sich entfernt, und daß die aus wärmeren Klimaten, aus Frankreich, Italien etc. zu uns gekommenen Früchten in der Regel durch schädliche Einflüsse mehr leiden, als die, welche in Deutschland oder einem dem unsrigen mehr ähnlichen Klima entstanden sind. Hier ist noch ein weites Feld zur Einsammlung sicherer Erfahrungen, die erst längere Beobachtung und vor allen Dingen allgemeinere richtige Bekanntschaft mit den rechten Obstnamen uns geben kann.
    Bemerken will ich hier noch, daß man auch bei Ausbruch der Kartoffelkrankheit den Grund des Uebels gleich darin finden wollte, daß unsere Kartoffelsorten ausgeartet seyen und sich überlebt hätten, und Heilung von der Anzucht von Sämlingen erwartete, während die Erfahrung bis jetzt allermeist gezeigt hat, daß die Sämlinge bald ebenso gut der Krankheit unterlagen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Samenfrucht (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_245.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)