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Schuld daran, daß wir zu viele klein bleibende Sorten gepflanzt haben, oder die Stämme nicht recht behandelten. – Wie mit der Größe wird es sich dann

2) wohl auch mit der Tragbarkeit der Edelstämme verhalten. Es gibt veredelte Sorten genug, die nicht viel tragen; aber warum pflanzt man sie fort? An der Veredlung liegt das ja nicht. Haben wir nicht genug Obstsorten selbst unter den alten, aus Frankreich gekommenen, oder vielleicht noch ältere urdeutsche, die zum Erstaunen voll tragen? Wer tadelt die Tragbarkeit einer Rothen Bergamotte, des in passendem Boden malterweise tragenden Borsdorfer’s, der Volkmarserbirn, Nainbirn, Rothpunktirten Liebesbirn, Sommerapothekerbirn, Winterapothekerbirn (die schon die Römer als Bonum crustuminum gehabt haben sollen, welche wohl ungezweifelt auch schon den Api und Rothen Herbstcalville, gleichfalls 2 höchst tragbare Sorten, kannten), und so vieler andern. Ein Baum der Sommerapothekerbirn, den Diels Aeltern auf einer fetten Wiese allein stehen hatten, wo der Baum den feuchten Boden fand, den er verlangt, trug oft 40 schwere Körbe Früchte!! Nicht selten ist an der Unfruchtbarkeit eines Baumes bloß der Boden schuld, der der betreffenden Sorte nicht zusagt, und habe ich in meiner 1852 erschienenen „Anleitung“ etc. auf gar manche Beispiele der Art hingewiesen, und selbst eines wilden Stammes, der Mahalebkirsche gedacht, der in Sulingen, noch jung, gern trug, und nach Nienburg in den trockeneren Garten in der Stadt verpflanzt, 14 Jahre hindurch, bei gutem Wuchse, jährlich voll blühete, ohne jemals auch nur eine einzige Frucht anzusetzen. Ebenso oft liegt die Unfruchtbarkeit eines Baums darin, daß die Obstsorte zum Fruchtansetzen entweder überhaupt, oder wenigstens gleich nach der Blüthe mehr Wärme bedarf, als wir gewöhnlich haben, und tragen aus dieser Ursache die Graue Herbst-Butterbirn, der Rothe und Violette Perdrigon und andere sehr wenig oder setzen gar nichts an, und so habe ich auch eine aus Rußland stammende Astracan’sche Winter-Pomeranzenbirn, die sehr kräftig und gesund wächst, deren Probezweige, die immer merklich vor allen andern blühen, aber noch nie ansetzten, weil zur Zeit ihrer Blüthe die nöthige Wärme fehlen wird. Allerdings sind Sämlinge als in unserm Boden und Klima entsprossen, in der Regel sehr fruchtbar; aber gibt es denn nicht eben sowohl Sämlinge die wenig tragen, oder ganz unfruchtbar sind? Die Kirsche Belle Bosc habe ich 16 Jahre, bei jährlichem, reichem Blühen, gehabt, ohne in dieser Zeit mehr als 2 Früchte zu erhalten, während alle Probereiser, die darauf gesetzt wurden, bald und voll trugen; ebenso gings mit einer Samenkirsche, die ich selbst zog, und auf meinem großen Probebirnbaume in Nienburg, den ich mit den von Hrn. van Mons ohne Namen erhaltenen Birnsorten (etwa 275) bepfropfte, fanden sich, neben vielen bald und fast jährlich fruchtbaren Zweigen, auch circa 40 Zweige, die theils wohl blüheten, aber nicht ansetzten, theils in 14 Jahren auch nicht einmal eine Blüthe hervorbrachten, obwohl alle diese unfruchtbaren Sorten wohl ganz sicher von v. Mons allerletzten Kernsaaten abstammten. Man vergleiche auch, wie sogar nicht selten Bivort im Album anmerkt, daß der beschriebene Sämling wenig fruchtbar sey. Nicht weniger sind denn auch

3) die Klagen über Kränklichkeit und geringe Lebensdauer der veredelten Stämme, oder der alten Sorten übertrieben. – Alles Edle ist freilich in der Regel mehr

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_243.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)