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Bezugs herleiten. Solche Sisyphus-Arbeit wäre zwecklos. Durch die Jagd nach Synonymen hat man die schwere Sünde begangen, den Ballast der pomologischen Nomenclatur in’s Unendliche zu vermehren; ich will hier nur an den sichern Obstführer in der Obstkunde von Dochnahl und das neueste Handbuch des Herrn von Biedenfeld erinnern. In der Zusammenstellung der Synonymen ist gewissenhafte Kritik vor allen Dingen nöthig. Aber selbst anerkannte Pomologen tragen an der Schuld der Verwirrung der Nomenclatur mit, wenn sie Sorten, welche sie ohne Namen erhielten und deren richtige Benennung sie nicht sogleich auffanden, alsbald den Namen eines Freundes oder einer bedeutenden Persönlichkeit beilegten und, um diese dadurch zu ehren, unter dem selbstgeschaffenen Namen verbreiteten, wobei es sich dann nicht selten findet, daß man nach ein paar Jahren die ächte Benennung entdeckt und seine Voreiligkeit zurücknehmen muß, ohne die angerichtete Verwirrung wieder gut machen zu können. Es sollte der Grundsatz amerikanischer Pomologen festgehalten werden: „Niemand darf einer Frucht einen Namen beilegen, der sie nicht selbst erzogen hat, mit Ausnahme pomologischer Vereine; aber auch von diesen nur in dem Falle, wenn es constatirt ist, daß man wirklich eine noch unbekannte Frucht vor sich hat.“ Dagegen ist es mit Entschiedenheit zurückzuweisen, daß Männer, welche die Worte „babylonische Sprachverwirrung“ u. s. w. immer im Munde führen, durch Zusammenstellung aller nur aufzutreibenden Synonymen, ohne Kritik und ohne eigene Erfahrung auf Kataloge basirend, die Wunde in der Nomenclatur noch weiter aufreißen, während sie die Miene machen, Heilmittel dagegen anzubieten.

In Nr. 16 der genannten Gartenzeitung werden die Desiderien hinsichtlich der Obstausstellungen, welche Pinkert zum Verfasser haben, einer Beurtheilung unterworfen und bei Einsendungen zu Obstausstellungen viererlei Angaben gefordert, nämlich: 1) des Standortes, 2) des Bodens, worin der bezügliche Baum gewachsen, 3) der Form der Bäume, 4) der Unterlagen, worauf der Baum gewachsen ist. Dieß ist nun ganz zweckmäßig, bei noch unbekannten Sorten, aber überflüssig bei längst bekanntem Obste. Die Lehre von den Sortenbäumen definirt der Freiherr von Biedenfeld aber in seiner Beurtheilung des genannten Aufsatzes also: „die Lehre von den Sortenbäumen, das ist nach Oberdieck, von der Gleichgültigkeit in Betreff der Resultate, worauf ein Reis veredelt wurde.“ Schon der unklare Ausdruck, noch mehr aber die Sache selbst, zeigt, daß hier Freiherr v. Biedenfeld etwas behauptet, was dem Herrn Superintendenten in dieser Auffassung nicht im Schlafe eingefallen ist. Was der Herr Redacteur in seiner Beurtheilung über das ewige Systematisiren sagt, womit der Zweck: „Vermehrung und Verbesserung des Obstbaues“ nicht erreicht werde, so hat er in so fern Recht, daß der Landmann vom Systematisiren bei Obstausstellungen einen directen Gewinn nicht zieht, und wenn man ihn veranlassen wollte, sich für das System zu interessiren, dieß ihm die Sache nur entleiden würde. Aber wo ist denn in aller Welt einem vernünftigen Pomologen eingefallen, den Landmann bei Obstausstellungen für das System zu interessiren? Weiß denn der verehrte Herr Redacteur nicht, daß es ohne Wissenschaft keine gedeihliche Praxis gibt, daß eine Obstausstellung ohne wissenschaftliche Anordnung ein Scherz wäre, ohne Sinn und Nutzen? Auf welche Weise sollen denn die edelsten und der Verbreitung würdigsten Obstsorten aus Tausenden von Früchten herausgefunden werden, um sie dem Landmann vorlegen und kennen zu lehren, wenn die Wissenschaft nicht die Charaktere dazu an die Hand gibt? Zeigt denn nicht eben die Erscheinung, daß ein System um das andere auftaucht, daß die Nothwendigkeit eines solchen ein tief gefühltes Bedürfniß sey? Ist nur einmal ein einfaches, naturwüchsiges, logisch richtiges und leicht faßliches System geschaffen, so wird man keine Ausstellungen mehr haben, welche nur zur Parade dienen, sondern solche, die von wissenschaftlichem und praktischem Werthe zugleich sind, und dazu bahnen die vielen systematischen Versuche unserer Zeit wenigstens den Weg. Wenn die Thüringer Gartenzeitung die Pomologen auffordert, an die Oeffentlichkeit herauszutreten, d. h. wohl, ihre Ansichten in den Journalen auszusprechen, so nimmt der Landmann daran ja auch keinen unmittelbaren Gewinn, und doch fällt ihm auch davon sein Theil ab, ohne daß er es weiß, und dieß gilt von allen wissenschaftlichen Bestrebungen, welche mit dem Landmann in Verbindung stehen und also auch mit dem Systematisiren in der Obstkunde.

In derselben Nummer wird abermals ein Lamento darüber angestimmt, welch’ eine Schmach bei dem Aufschwung deutscher Wissenschaftlichkeit es sey, daß die Synonymen in den verschiedenen Katalogen, Baumschulen bei Handelsgärtnern etc., in’s Graue anwachsen. (Welch’ ein Wechsel der Ansicht, zuerst heißt’s,

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_211.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)