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und erhalte so ohne den mindesten Zeitverlust diejenige Obstsorte, die ich meinen Abnehmern wegen ihrer Güte empfehlen kann, ohne die Zärtlichkeit ihres Holzes noch so fürchten zu müssen, wie wenn sie gleich unten am Boden mit dieser Sorte veredelt worden wären. Auch darf man nicht fürchten, daß diese zweimalige Veredlung durch eine zweimalige Verdickung der Stämme unangenehm auffalle, zumal wenn man, wie ich, mit dem Klebreis veredelt; denn die erste Veredlungsstelle liegt unmittelbar über dem Boden und die zweite fällt mit der Zertheilung des Hauptstammes in die ersten Kronäste zusammen und ist deßhalb ebenfalls nur sehr wenig bemerkbar. Dagegen wird jeder Obstbaumzüchter, dem das Veredeln schnell und sicher aus der Hand geht, einen nicht geringen Werth darauf legen, selbst die feinsten und zärtlichsten Obstsorten seinen Abnehmern in schönen und gesunden Stämmen liefern zu können und das ist mir durch das beschriebene Verfahren jetzt allerdings gelungen.

Bem. der Red. Diese hier angeführte Methode ist höchst zweckmäßig und kommt auch in der Hohenheimer Baumschule bei schwachwachsenden Sorten in Anwendung. Ich nehme, um Aepfel so zu erziehen, gewöhnlich Stämme, die mit der Engl. Winter-Goldpermäne veredelt wurden und die sich wenigstens hier noch vor dem Wachsapfel und dem Astracan-Sommerapfel im Wuchs auszeichnen. Außerdem liefert unser Kleiner und Großer Fleiner besonders schnellwachsende und starke glatte Stämme. Zur Birnenveredelung in der angeregten Weise dienen mir einige Mostbirnen mit überaus starkem und schnellem, kerzengeradem Wuchs, namentlich die Eisgruben Mostbirn, Lempps Mostbirn, Grunbirn oder Feigenbirn, und die Fischäckerin. Von manchen Birnsortern, wie von der Champagner Bratbirn, erhält man durch Veredlung am Boden von 100 kaum 10 kräftige Stämme, weßhalb für diese Sorte auf dem Eßlinger Baummarkt für einen ordentlichen Stamm nicht selten 1½ fl. bezahlt wird.

Zwei neue Werkzeuge für den Obst- und Gartenbau.
Aus der Fabrik der Herren Gebrüder Dittmar in Heilbronn.
1. Die Dittmar’sche Messerzange.

Die verschiedenen bis jetzt bekannt gewordenen Baumscheeren (Secateurs), sowohl die mit feststehender Schraube, als die bei denen die Schraube sich während des Schnittes bewegt (à coulant), haben trotz ihrem großen praktischen Werth den Nachtheil, daß sie mehr oder weniger bei dem Schnitt quetschen und daher eine unreine Wunde hinterließen, und daß mit denselben seitlich stehende Zweige nicht dicht am Entstehungspunkt weggeschnitten werden können. Daß ersteres bei dem Einstutzen von Seitenzweigen in der Baumschule nichts zu sagen hat, bedarf wohl nicht der Erwähnung, so wie überhaupt alle jene Schnitte, welche nicht dicht über einem Auge geführt werden müssen, recht wohl mit scharfen Baum- oder Zweigscheeren (Rebscheeren) ausgeführt werden können.

Zum Beschneiden der Spalierbäume aber, oder anderer symmetrischen Baumformen, so wie zu sehr vielfachen Schnitten in der Baumschule, eignet sich für solche Freunde des Obstbaus, die eine Scheere wegen ihrer bequemeren Handhabung dem Messer vorziehen, die hier abgebildete Dittmar’sche Messerzange, die größtentheils so wie sie jetzt ist, als Erfindung der Herren Dittmar betrachtet werden muß. Dieselbe hat vor allen anderen Scheeren den wesentlichen Vorzug, daß durch eine eigenthümliche

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Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_196.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)