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den Trieb, der Sommerschnitt schwächt ihn und ist deshalb eines der besten Mittel zur Erlangung baldiger Fruchtbarkeit bei starkwüchsigen Pyramiden und Spalierbäumen.

Ferner bleibt aber noch zu erwähnen, daß, da der Gärtner bei allen seinen Verrichtungen und namentlich auch beim Baumschnitt zweierlei Rücksichten hat, nämlich Zweckmäßigkeit und Schönheit, auch dieser letztern Anforderung Rechnung getragen werden muß. Welcher Unterschied nun aber ist, zwischen einem auf richtige Weise beim Versetzen beschnittenen und einem Baum, wo dies unterlassen und erst nachgeholt wird, weiß jeder, der sich mit Baumpflanzungen beschäftigt. Es ist etwas ganz anderes, wenn ich den jungen Baum nöthige, gewisse Knospen zu entwickeln, als wenn ich es seiner Natur überlasse, welche derselben sich in Triebe ausbilden.

Durch Pacquet’s Methode werden, da die Kronenzweige an ihrer Basis kahl bleiben, welchen Uebelstand ein späteres Beschneiden nie ganz aufzuheben vermag, die jungen Baumkronen weder regelmäßig noch schön.

Ich wendete mich bezüglich dieser Frage an Professor Decaisne in Paris, dem bekannten Physiologen und einem der einsichtsvollsten Forsther in Fragen der Pflanzenkultur, und dieser war so gütig, mir auf eine höchst zuvorkommende Weise zu antworten. Aus seinem Brief theile ich die bezügliche Stelle hier mit: „Wir sind derselben Ansicht bezüglich der Behandlung der Obstbäume. Sie haben Recht, die von Dubreuil bezeichnete Methode zu tadeln. Es versteht sich, daß man stärkere Zweige lang schneidet und schwache kurz; die Gesetze der Physiologie geben genügend Aufschluß über diese Praxis. Obige Prinzipien sind die meinigen, zu denen ich mich seit vielen Jahren bekenne.“

Puvis würdigt diese Frage auch einer besonderen Aufmerksamkeit in seiner Schrift De la taille des arbres fruitiers[WS 1] und gibt in pag. 18., Verstärkung schwacher Aeste, zu dem Ganzen noch einen wichtigen Commentar, der die Anwendbarkeit beider sich so widersprechender Regeln in der Praxis nachweist, freilich aber nicht die richtige Anwendung jener falsch angewendeter Theorie nachzuweisen vermag. Es heißt in dem angeführten Abschnitt, der sehr interessant und lehrreich ist, wie folgt:

„Lelieux und Dalbret nehmen als wesentlichen Grundsatz ihrer Methode an, daß man, um einem Ast Kraft zu geben, man ihn lang schneiden muß, selbst ihn unbeschnitten lassen muß, während man im Gegentheil die sehr starken Aeste kurz schneiden muß[1], sie begründen ihre Meinung darüber, daß man die schwachen Aeste in ihrer ganzen Länge läßt, damit, daß sie ihnen dadurch eine große Menge Blätter hervorwachsen lassen, die für die Zweige die Mittel den aufsteigenden Saft anzuziehen und herabsteigenden Saft zu produciren sind, und somit eine größere Entwicklung verursachen; während, wenn man kräftige Aeste kurz schneidet, man ihnen einen Theil ihres Blätterapparats, welchen sie erzeugt hätten (!) wegschneidet und hiedurch ihre Kraft und Zunahme vermindert. Wir wollen diesen Grundsatz nicht im Allgemeinen bestreiten, wir führen indessen an, daß zwei unserer Brüder, die sich von der Richtigkeit dieses Satzes überzeugen wollten,

beim Schnitt der Maulbeeren in einer


  1. Also wie Dubreuil und Pacquet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. A. Puvis: De la taille des arbres fruitiers, de leur mise a fruit et de la marche de la vegétation. Librairie agricole, Paris [1850] Gallica
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_187.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)