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thun, indem diese, wenn sie bereits gehörig groß und stark sind, schon in wenigen Jahren zu Entscheidungen führen, die ohne sie fast nie mit derselben Sicherheit gewonnen werden können. Hier können die gleichnamigen Sorten, wenn sie wirklich gleich sind, nicht mehr in Folge verschiedenen Standorts oder verschiedenen Grundstammes von einander abweichen. Hier kann man die Zweige der verschiedennamigen Obstsorten, deren Identität man vermuthet, unter ganz gleichen Bedingungen unmittelbar neben einander haben und ihr Wachsthum vom ersten Erscheinen ihrer Blätter bis zum Gelbwerden und Abfallen derselben fortwährend vergleichen, und zuletzt noch durch die ganze Entwicklung der unter denselben Bedingungen heranwachsenden Früchte die definitive Entscheidung gewinnen. Auch läßt sich kein besserer Anhalt für die verhältnißmäßige Vegetationskraft, Tragbarkeit und Reifzeit verschiedener Obstsorten gewinnen, wenn gleich über diese Fragen die von einem einzigen Sortenbaume entlehnten Erfahrungen auf allgemeine Gültigkeit noch keinen Anspruch haben dürften. Wir können daher jedem Freunde des Obstbaues die Anlegung solcher Sortenbäume nicht genug empfehlen, besonders da Jeder in seinen Pflanzungen Bäume haben wird, die er aus irgend einem Grunde mit einer neuen Sorte gern veredelt sehen möchte. Warum sollte er nun nicht statt einer einzigen lieber gleich eine Anzahl näher zu prüfender Sorten darauf bringen, um mit seiner Hülfe gleich über mehrere Fragen und Zweifel in’s Reine zu kommen?[1]



Erfahrungen über das Ringeln.
Vom Herrn Prof. Ed. Lange in Altenburg.

Wenn ein Obstfreund eine Anzahl neuer Obstsorten angepflanzt hat, muß er gewöhnlich lange warten, ehe er die ersten Früchte zu sehen bekommt. Besonders setzt das Kernobst unsere Geduld auf eine schwere Probe. Da helfe ich mir mit dem Ringeln, das mir besonders bei den Aepfelbäumen seit 20 Jahren meistentheils wohl gelungen ist. Ich suche mir nämlich an jedem zu prüfenden Baume einen oder ein Paar mindestens zwei Jahre alte Aeste aus, deren Verlust im Fall des Mißlingens der Krone keinen Schaden bringt, und schneide nun im Frühjahre, wenn der vollsaftige Baum seine ersten Blätter treibt, in die ausgewählten Aeste bis auf’s Holz zwei etwa 1/6 Zoll von einander entfernte Ringschnitte ein, nehme dann sogleich rings um den Ast die ganze Schale zwischen den beiden Ringschnitten heraus, so daß das junge Holz darunter hier völlig blos zu liegen kommt, und nun kein Saft mehr in den Bastzellen von unten nach oben steigen kann. Ist die Sache richtig ausgeführt, so geräth in dem über dem Ringelschnitte liegenden Aste die üppige Vegetation alsbald in’s Stocken und es entstehen statt

langer Sommertriebe nun eine Menge


  1. Die genügendste Belehrung über Sortenbäume nebst anderen wichtigen pomologischen Erfahrungen findet der Obstzüchter in Oberdieck’s kleiner Schrift „die Probe- oder Sortenbäume,“ Hannover 1844. (8 Ngr.) ein Büchlein, welches gar nicht oft genug empfohlen werden kann.
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)