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der Dauerhaftigkeit und Stärke derselben gewissermaßen eine Garantie für das Gedeihen der darauf gesetzten Edelreiser. Für Haselnüsse, Kirschen, Pflaumen würden wir diese Anzucht durch Stecklinge der Veredlung, sowie den Ablegern vorziehen, insofern mehr dabei erzielt werden würde, wenn die Resultate derselben so gewesen wären, daß die Anwendung dieser Methode einen Vortheil für die Praxis verspräche. Neuerdings haben wir uns mit einigen Versuchen durch Einlegen der Aeste, wurzelächte Pflanzen zu erzeugen beschäftigt, und geben hier die Resultate, welche wir erzielten; bitten jedoch solche vorläufig nur als Experimente betrachten zu wollen. Sind die späteren Erfolge der Art, daß sie zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden können, so werden wir nicht verabsäumen solches zu thun.

Die Art dieser Einlegung besteht darin, daß wir um die dem Boden nächsten Aeste, hart an dem Stamm einen Bleidraht anlegten, denselben so stark anzogen, daß er einschnitt, und die ganze Stelle mit Erde bedeckten. Diese eingeschnittenen Aeste erzeugten an der wunden Stelle Callus und sehr schöne Wurzeln. Sie wurden nun gänzlich von dem Stamme abgelöst und bilden sehr schöne, kräftig treibende Bäumchen. Diese Versuche sind an der Frauendorfer Weichsel vollzogen worden.

Es sollte uns freuen, wenn auch andere Gartenfreunde sich veranlaßt sähen, derartige Versuche zu machen und ersuchen wir dieselben, seiner Zeit in dieser Zeitschrift ihre Erfolge veröffentlichen zu wollen.

Anmerkung zu vorstehendem Aufsatze. Der Unterzeichnete muß ganz der in diesem Aufsatze vorgetragenen Ansicht beistimmen, daß die in demselben beregte Vermehrung der Obstbäume durch bogenförmig eingelegte Stecklinge allgemeinere Anwendung zur Erziehung von Obstbäumen nie finden werde, und Veredlung auf aus Kernen erzogene Wildlinge immer rascher und leichter zum Ziele führen werde. Er kann aus früheren eigenen Versuchen mit mehreren hundert Obstreisern, in verschiedenen Jahren angestellt, (nach damaliger Methode nur unter schräges Einstecken der Reiser in fettes Erdreich, jedoch mit Verklebung der oberen Schnittwunde durch Baumwachs, auch gehörigem Begießen bei trockener Witterung), bestätigen, daß die Stecklinge mit und ohne Glasbedeckung weiter nicht kamen, als daß ein kleiner Theil der Reiser an der unteren Schnittwunde Callus bildete, während die Mehrzahl zuletzt in der Erde faulende Rinde hatte. Könnte man die Stecklinge bis zu einem nächsten Frühlinge lebendig erhalten, so würde wahrscheinlich bei erwachendem neuen Safttriebe der gebildete Callus Wurzeln austreiben, doch würde, wenn dies gelänge, Mühe und Arbeit wieder vermehrt und bleibt abermals die gewöhnliche Vermehrungsmethode leichter. Bemerken muß man noch, ob das leichtere Anschlagen bogenförmig in die Erde eingelegter Stecklinge im Verhältnisse zu schräg eingelegten vielleicht darauf beruht, daß statt Einer Schnittwunde nur am untern Ende des Stecklings deren zwei Saft einsaugen und dem oben auf dem Bogen stehenden Auge reichlichere Nahrung zuführen. Ist bei gewöhnlichen Stecklingen die obere Schnittwunde mit Baumwachs bestrichen, so erleidet der Saft bei dem obersten Auge ebensowohl eine Hemmung und müßte daher Triebe erzeugen. Weitere Versuche über Anziehung von Obstbäumen durch Stecklinge behalten indeß immer Interesse, und Anzucht wurzelächter Stämme, auf die am Schlusse des vorstehenden Aufsatzes angegebene Weise, bei welcher die Bewurzelung sicher erfolgt, behalten jedenfalls Werth zu Versuchen, wie eine Obstsorte ohne fremde Unterlage sich erhält.


Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_095.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2018)