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zu gedenken) oder wenn sie in, wie z. B. Waiz (Annalen der Obstkunde der pomologischen Gesellsch. z. Altenburg. Bd. I. und II.) Verbesserungen des Diel’schen Systems vorschlugen, doch bei denselben und bei Einreihung der Sorten Diel’s Beschreibungen ohne Weiteres zu Grunde legten; ja es gibt jetzt noch Pomologen, welche jeden Zweifel an Diel’s Beschreibungen und Beobachtungen für ein Vergehen ansehen.

Nach und nach bemerkte man aber doch, daß das Diel’sche System weder logisch, noch naturgemäß sey; man bemerkte, daß so ausführlich und weitläufig auch die Beschreibungen sind, doch die angegebenen Kennzeichen nicht genügen; daß die Einreihung der Sorten selbst dem aufgestellten Systeme nicht entspreche, daß das angeblich Charakteristische der Sorten häufig auf sehr unwesentliche und zufällige Eigenschaften gesetzt und der Werth mancher Sorten viel zu hoch gestellt worden; daß manche Sorte zwei-, drei- und viermal in verschiedenen Zuständen beschrieben, große Verwechselungen vorgefallen seyen etc., kurz, daß es allenfalls möglich sey, sich aus Diel’s Schriften zu überzeugen, ob eine uns mit dem Namen vorliegende Frucht die von Diel unter diesem Namen beschriebene sey, schwerlich aber, oder nur zufälliger Weise gelingen könne, eine dem Namen nach unbekannte Frucht in seinem sogenannten Systeme und nach seinen Beschreibungen aufzufinden.

Zu gleicher Zeit wurde, durch die vielen (theils wirklich, theils angeblich) neuen Sorten der Belgier, Engländer, Amerikaner etc. durch die völlige Nichtbeachtung der Familiennamen (Calville, Reinette, Butterbirn, Dechantsbirn etc.) bei Benennung derselben und durch den unverantwortlichen Leichtsinn mit welchem man in Bekanntmachung und Anpreisung angeblich neuer, oft aber nur mit neuen Namen versehener Sorten, ohne vorherige genügliche Prüfung, verfuhr, und durch eine Menge anderer einwirkender Umstände, – deren Aufzählung zu langweilig sein würde, – die Verwirrung in der Kernobstkunde so groß, daß man von mehreren Seiten und namentlich bei der obengedachten Versammlung zu Aeußerungen und Anträgen gekommen ist, die wenigstens hinlängliches Zeugniß davon geben, wie verzweiflungsvoll der Zustand der Kernobstlehre Vielen erscheint.

Meiner Ansicht nach ist aber der dermalige bedauerliche Zustand der Kernobstlehre nicht der großen Vermehrung der Kernobstsorten, nicht der Verwirrung der Synonymik etc. sondern den schon zum Theil im Vorstehenden angedeuteten Fehlern, welche man bei der Bearbeitung der Kernobstkunde seither gemacht hat, zuzurechnen, und ich habe diese Ansicht nun weiter zu rechtfertigen und deßhalb diese Fehler kürzlich anzudeuten. Es wird sich daraus zugleich ergeben, wie und auf welche Weise die Kernobstkunde meines Dafürhaltens zu einem wissenschaftlichen Ganzen, – freilich nicht durch einen Einzelnen, sondern durch gemeinschaftliches Zusammenwirken Vieler, – wird erheben werden können, während jetzt, meiner Ansicht nach, nur Beiträge dazu, – wenn gleich mitunter sehr werthvolle – vorhanden sind.

Zuvörderst muß man sich doch darüber klar seyn, was man von der Kernobstkunde verlangt? – Außer der Darstellung des inneren und äußeren Wesens der Kernobstfrüchte und ihrer Stämme, wozu die Pflanzenkunde die Grundlagen geben muß, stelle ich an die Kernobstkunde die Forderung:

daß sie ein möglichst naturgemäßes System der Kernobstsorten aufstelle, in dasselbe alle bekannten und hinlänglich geprüften,

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)