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Formen miteinander berühren. Die Kategorien stellen die allgemeinsten Seinsverhältnisse dar, die als solche zugleich die obersten Gattungen der Aussage (γένη oder σχήματα τῆς κατηγορίας) bedeuten. Sie sind, ontologisch gefaßt, die Grundbestimmungen des Wirklichen, die letzten „Prädikate“ des Seienden; aber diese Prädikate können, wie von den Dingen her, so auch von der allgemeinen Form des Prädizierens her betrachtet und aus ihr entwickelt werden. So scheint in der Tat die Gestaltung des Satzes und seine Zerlegung in Worteinheiten und Wortklassen für Aristoteles in der Aufstellung seines Systems der Kategorien vielfach vorbildlich gewesen zu sein. In der Kategorie der Substanz blickt die grammatische Bedeutung des „Substantivum“, in Quantität und Qualität, im „Wann“ und „Wo“ blickt die Bedeutung des Adjektivs und der Ort- und Zeitadverbien noch überall deutlich hindurch – und insbesondere die vier letzten Kategorien, das ποιεῖν und πάσχειν, das ἔχειν und κεῖσθαι, scheinen erst dann völlig durchsichtig zu werden, wenn man sie auf gewisse Grundunterschiede bezieht, die die griechische Sprache in der Bezeichnung des Verbums und der verbalen Aktion festhält[1]. Die logische und die grammatische Spekulation schienen daher hier einander durchgängig zu entsprechen und sich wechselseitig zu bedingen – wie denn das Mittelalter im Anschluß an Aristoteles an dieser Entsprechung festgehalten hat[2][WS 1]. Als dann in der neueren Zeit der Kampf gegen die Aristotelische Logik einsetzte, als man ihr das Recht, „die“ Systematik des Geistes zu heißen, bestritt, da bildete freilich umgekehrt gerade das enge Bündnis, das sie mit der Sprache und der allgemeinen Grammatik eingegangen war, einen der wichtigsten und gefährlichsten Angriffspunkte. Von hier aus hat in Italien Lorenzo Valla, in Spanien Lodovico Vives, in Frankreich Petrus Ramus die scholastisch-aristotelische Philosophie aus den Angeln zu heben versucht. Im Anfang hält sich dieser Kampf noch innerhalb der Sprachforschung und Sprachbetrachtung selbst: gerade die „Philologie“ der Renaissance ist es, die von ihrer vertieften Ansicht der Sprache aus auch eine neue „Denklehre“ fordert. Was die Scholastik an der Sprache erfaßt hat, das sind, wie jetzt eingewandt wird, nur ihre äußerlich grammatischen Verhältnisse, während ihr eigentlicher Kern, der statt in der Grammatik vielmehr in der Stilistik zu suchen ist, ihr verborgen geblieben ist. Unter diesem Gesichtspunkt


  1. [1] Näheres über diesen Zusammenhang bes. bei Trendelenburg, De Aristotelis Categoriis (Berlin 1833) und Geschichte der Kategorienlehre (Histor. Beiträge zur Philosophie, Bd. I, 1846, S. 23 ff.).
  2. [2] Vgl. z. B. Duns Scotus, Tractatus de modis significandi seu grammatica speculativa.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der Fußnotenziffer ¹ an dieser Stelle wurde die Fußnote Nr. 2 zugeordnet.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/82&oldid=- (Version vom 15.9.2022)