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Einheit erhebt, ist die Form der gegenständlichen Verknüpfung. Wenn wir einen Inbegriff bestimmter Eigenschaften zum Ganzen eines beharrlichen Dinges mit mannigfachen und wechselnden Merkmalen zusammenschließen, so setzt dieser Zusammenschluß die Verknüpfung im Neben- und Nacheinander voraus, ohne doch in ihr aufzugehen. Das relativ Konstante muß vom Veränderlichen unterschieden, – bestimmte räumliche Konfigurationen müssen festgehalten werden, damit der Begriff vom Dinge, als dem bleibenden „Träger“ der wandelbaren Eigenschaften, sich bilden kann. Auf der anderen Seite aber fügt der Gedanke dieses „Trägers“ zur Anschauung des räumlichen Beisammen und des zeitlichen Nacheinander ein eigenes und neues Moment von selbständiger Bedeutung hinzu. Die empiristische Analyse der Erkenntnis hat freilich immer wieder versucht, diese Selbständigkeit zu bestreiten. Sie sieht im Gedanken des Dinges nichts anderes als eine rein äußerliche Verknüpfungsform; sie sucht zu zeigen, daß Inhalt und Form des „Gegenstandes“ sich in der Summe seiner Eigenschaften erschöpft. Aber es tritt hierbei alsbald derselbe Grundmangel hervor, der der empiristischen Zergliederung des Ichbegriffs und des Ichbewußtseins anhaftet. Wenn Hume das Ich als ein „Bündel von Perzeptionen“ erklärt, so hebt diese Erklärung – abgesehen davon, daß in ihr nur die Tatsache der Verbindung überhaupt festgehalten, aber über die besondere Form und Art der Synthese zum „Ich“ nicht das geringste ausgesagt ist – sich schon darum selbst auf, weil im Begriff der Perzeption der Begriff des Ich, der scheinbar analysiert und in seine Bestandteile zerlegt werden sollte, noch vollständig unzerlegt enthalten ist. Was die einzelne Perzeption zur Perzeption macht, was sie als Qualität der „Vorstellung“ etwa von einer beliebigen Dingqualität unterscheidet, das ist eben ihre „Zugehörigkeit zum Ich.“ Diese entsteht nicht erst in der nachträglichen Zusammenfassung einer Mehrheit von Perzeptionen, sondern ist schon jeder einzelnen ursprünglich eigen. Ein ganz analoges Verhältnis besteht in der Verknüpfung der vielfältigen „Eigenschaften“ zur Einheit eines „Dinges“. Wenn wir die Empfindungen des Ausgedehnten, des Süßen, des Rauhen, des Weißen zur Vorstellung des „Zuckers“, als eines einheitlichen dinglichen Ganzen, vereinen, so ist dies nur möglich, sofern schon jede einzelne dieser Qualitäten ursprünglich mit Rücksicht auf dieses Ganze bestimmt gedacht wird. Daß die Weiße, die Süße u. s. f. nicht lediglich als Zustand in mir, sondern als „Eigenschaft“, als gegenständliche Qualität gefaßt wird, – dies schließt die gesuchte Funktion und den Gesichtspunkt des ‚Dinges‘ schon vollständig in sich. In der Setzung des

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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/52&oldid=- (Version vom 20.8.2021)