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Gesamtheit ihrer empirisch und theoretisch gesicherten Einsichten bedingt. Die Art, in der wir den begrifflichen Gegensatz des „Subjektiven“ und „Objektiven“ in der Gestaltung der Erfahrungswelt, im Aufbau der Natur zur Anwendung und Durchführung bringen, zeigt sich, in diesem Zusammenhang betrachtet, nicht sowohl als die Lösung des Erkenntnisproblems, als vielmehr als der vollständige Ausdruck desselben[1]. Aber in seinem ganzen Reichtum und in seiner inneren Vielgestaltigkeit erscheint dieser Gegensatz erst dann, wenn wir ihn über die Grenzen des theoretischen Denkens und seiner spezifischen Begriffsmittel hinaus verfolgen. Nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Sprache, dem Mythos, der Kunst, der Religion ist es eigen, daß sie die Bausteine liefern, aus denen sich für uns die Welt des „Wirklichen“, wie die des Geistigen, die Welt des Ich aufbaut. Auch sie können wir nicht als einfache Gebilde in eine gegebene Welt hineinstellen, sondern wir müssen sie als Funktionen begreifen, kraft deren je eine eigentümliche Gestaltung des Seins und je eine besondere Teilung und Scheidung desselben sich vollzieht. Ebenso wie die Mittel verschieden sind, deren sich jede Funktion hierbei bedient, wie es ganz verschiedene Maßstäbe und Kriterien sind, die von jeder einzelnen vorausgesetzt und zur Anwendung gebracht werden, so ist auch das Ergebnis ein verschiedenes. Der Wahrheits- und Wirklichkeitsbegriff der Wissenschaft ist ein anderer, als es der der Religion oder der Kunst ist – so wahr es ein besonderes und unvergleichliches Grundverhältnis ist, das in ihnen zwischen „Innen“ und „Außen“, zwischen dem Sein des Ich und der Welt nicht sowohl bezeichnet, als vielmehr gestiftet wird. Ehe zwischen all diesen mannigfachen, einander kreuzenden und einander widersprechenden Ansichten und Ansprüchen entschieden werden kann, müssen sie zunächst in kritischer Genauigkeit und Strenge unterschieden werden. Die Leistung jeder einzelnen muß an ihr selbst, nicht an den Maßstäben und Forderungen irgendeiner anderen, gemessen werden – und erst am Ende dieser Betrachtung kann sich die Frage erheben, ob und wie alle diese verschiedenen Formen der Welt- und Ich-Auffassung miteinander vereinbar sind – ob sie zwar nicht ein und dasselbe, an sich bestehende „Ding“ abbilden, wohl aber sich zu einer Totalität und zu einer einheitlichen Systematik des geistigen Tuns ergänzen. –

Für die Philosophie der Sprache ist diese Betrachtungsweise zuerst von Wilh. v. Humboldt in voller Klarheit erfaßt und durchgeführt


  1. [1] Zur Ergänzung und näheren Begründung vgl. die Darstellung in m. Schrift: Substanzbegriff und Funktionsbegriff, Berlin 1910, Cap. VI.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/40&oldid=- (Version vom 15.9.2022)