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der Objekte ist darum auch nicht der Bildung dieser determinativen Elemente vorausgegangen, sondern er hat sich vollkommen gleichzeitig mit ihnen entwickelt. Denn er ist offenbar der beim Übergang von einem Gegenstande zum anderen unmittelbar sich einstellende Ausdruck der Zusammengehörigkeit, wobei diese letztere vielmehr auf gewissen begleitenden Gefühlen von übereinstimmender Färbung als auf einer eigentlichen Vergleichung beruhte[1].“ Dagegen ist jedoch zu sagen, daß, welches auch immer das ursprüngliche psychologische Motiv zur Zusammenfassung einer bestimmten Gruppe von Namen gewesen sein mag, die Zusammenfassung selbst einen selbständigen logischen Akt mit einer ihm eigentümlichen logischen Form darstellt. Eine Determination, die ausschließlich in der Sphäre des Gefühls verbliebe, vermöchte für sich allein keine neue objektive Bestimmung zu schaffen. Denn irgendwelche gefühlsmäßige Assoziationen können schließlich zwischen allen, auch den heterogensten Inhalten des Bewußtseins bestehen, so daß sich von hier aus kein Weg zu jener Art der „Homogeneität“ finden läßt, die im logischen und sprachlichen Begriff hergestellt oder zum mindesten gefordert wird. Das Gefühl kann noch alles mit allem verbinden; es enthält daher keine ausreichende Erklärung dafür, daß bestimmte Inhalte sich zu bestimmten Einheiten verknüpfen. Hierzu wird vielmehr ein gedanklicher Gesichtspunkt der Vergleichung gefordert, der in den Reihenbildungen der Sprache auch dort deutlich erkennbar ist, wo er nur in der Form eines klassifikatorischen Suffixes, nicht in der eines selbständigen Begriffs- und Stoffwortes seinen Ausdruck findet[2]. Wenn die Sprache den Umstand, daß bestimmte Inhalte generisch zusammengehören, zur Darstellung bringt, so dient sie schon damit als ein Vehikel des intellektuellen Fortschritts, – gleichviel, ob es ihr zu erfassen und zu bezeichnen gelingt, worin dieser Zusammenhang besteht. Auch hierin bewährt sie sich als Vorwegnahme einer Aufgabe, die ihre eigentliche Lösung freilich erst in der wissenschaftlichen Erkenntnis finden kann: sie wird gleichsam zur Präsumtion des logischen Begriffs. Dieser letztere begnügt sich nicht damit, eine Zuordnung und eine Zusammengehörigkeit von Inhalten einfach zu behaupten, sondern er fragt nach dem „Warum“ dieser Zuordnung: er will ihr Gesetz und ihren „Grund“ erfassen. Die


  1. [1] Wundt Völkerpsychologie ², 11, 15 f.
  2. [2] Daß übrigens viele dieser „klassifikatorischen Suffixe“, gleich anderen Suffixen, auf konkrete Begriffs- und Stoffworte zurückgehen, ist unverkennbar (Vgl. hrz. Kap. 5). Im Gebiet der indogermanischen Sprachen scheint ein derartiger Zusammenhang im einzelnen allerdings meist nicht mehr etymologisch nachweisbar zu sein; s. hrz. die Bemerk. in Brugmanns Grundriß ², II, 184, 582 ff. u. ö.
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/279&oldid=- (Version vom 7.3.2023)