Das Problem der Begriffsbildung bezeichnet den Punkt, an dem Logik und Sprachphilosophie sich aufs nächste berühren, ja an dem sie zu einer untrennbaren Einheit zu verschmelzen scheinen. Alle logische Analyse des Begriffs scheint zuletzt an einen Punkt zu führen, an dem die Betrachtung der Begriffe in die der Worte und Namen übergeht. Der konsequente Nominalismus zieht beide Probleme in ein einziges zusammen: der Gehalt des Begriffs geht ihm in dem Gehalt und der Leistung des Wortes auf. So wird ihm die Wahrheit selbst zu einer nicht sowohl logischen, als vielmehr sprachlichen Bestimmung: „veritas in dicto, non in re consistit“. Sie betrifft eine Übereinstimmung, die nicht in den Dingen selbst, noch in den Ideen zu finden ist, sondern die sich ausschließlich auf die Verknüpfung der Zeichen, insbesondere der Lautzeichen, bezieht. Ein schlechthin „reines“, ein sprachloses Denken würde den Gegensatz von Wahr und Falsch, der erst im Sprechen und durch dasselbe erzeugt wird, nicht kennen. So führt die Frage nach der Geltung und dem Ursprung des Begriffs hier notwendig auf die Frage nach dem Ursprung des Wortes zurück: die Erforschung der Genesis der Wortbedeutungen und der Wortklassen erscheint als das einzige Mittel, um uns den immanenten Sinn des Begriffs und seine Funktion im Aufbau der Erkenntnis verständlich zu machen[1].
Die schärfere Betrachtung zeigt freilich, daß diese Lösung, die der Nominalismus für das Problem des Begriffs darbietet, insofern eine Scheinlösung bleibt, als sie in einen Zirkel ausläuft. Denn wenn die Sprache
- ↑ [1] Vgl. ob. S. 78 ff.
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/260&oldid=- (Version vom 8.2.2023)