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Einverleibung betrifft, sehr verschieden gestalten kann[1] – aber die allgemeine Charakteristik der eigentümlichen Denkart, die ihm zugrunde liegt, wird durch solche Feststellungen nicht wesentlich geändert. Man könnte, mit einem mathematischen Bilde, die Methode, die die Sprache hier einschlägt, der Aufstellung einer Formel vergleichen, in der die allgemeinen Verhältnisse von Größen bezeichnet, die besonderen Größenwerte aber unbestimmt gelassen werden. Die Formel gibt zunächst lediglich die allgemeine Verknüpfungsweise, die funktionale Beziehung, die zwischen gewissen Größenarten besteht, in einem einheitlichen zusammenfassenden Ausdruck wieder: zu ihrer Anwendung im einzelnen Falle ist aber erforderlich, daß die in ihr auftretenden unbestimmten Größen x, y, z durch bestimmte Größen ersetzt werden. So wird auch hier im verbalen Satzwort die Form der Aussage gleich anfangs vollständig entworfen und vorweggenommen – und sie erfährt nur dadurch eine materiale Ergänzung, daß die unbestimmten Pronomina, die in das Satzwort eingehen, durch nachträglich hinzugefügte sprachliche Bestimmungen in ihrer Bedeutung näher determiniert werden. Das Verbum als Vorgangsbezeichnung strebt danach, das lebendige Ganze des im Satz ausgedrückten Sinnes in sich zu vereinen und zu konzentrieren; aber je weiter es in dieser Leistung fortschreitet, umsomehr besteht freilich die Gefahr, daß es von der Fülle des immer neu hinzudrängenden Stoffes, den es zu meistern hat, selbst überwältigt wird und in diesem Stoff gleichsam versinkt. Um den verbalen Kern der Aussage spinnt sich jetzt ein so dichtes Netz modifizierender Bestimmungen, die die Art und Weise der Handlung, ihre örtlichen und zeitlichen Nebenumstände, ihr näheres oder entfernteres Objekt angeben, daß es schwer fällt, den Gehalt der Aussage selbst aus dieser Verschlingung herauszulösen und ihn als selbständigen Bedeutungsgehalt zu erfassen. Der Ausdruck der Handlung erscheint hier niemals als generischer, sondern als individuell-determinierter, durch besondere Partikel gekennzeichneter und mit ihnen untrennbar behafteter Ausdruck[2]. Wenn durch die Fülle dieser Partikel die Handlung oder der


  1. [1] Vgl. bes. die Untersuchungen von Lucien Adam über den „Polysynthetismus“ in der Nahuatl- und Kechua-, der Quiche- und Maya-Sprache (Etudes sur six langues américaines, Paris 1878). S. ferner Brinton, On polysynthesis and incorporation as characteristics of American languages. Transact. of the Americ. Philos. Soc. of Philadelphia XXIII (1885)[WS 1], sowie Boas’ Handbook I, 573, 646 ff. (Chinook), 1002 ff. (Eskimo) u. ö.
  2. [2] Vgl. hierfür z. B. die charakteristischen Bemerkungen, die K. v. d. Steinen über die Bakaïrisprache macht. Unter den Naturvölkern Zentral-Brasil., S. 78 ff., Bakaïri-Sprache, S. IX f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Befindet sich in den Proceedings dieser Akademie, Band 23 (1886).
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/256&oldid=- (Version vom 19.1.2023)