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am schärfsten von Humboldt in seiner Darstellung des Einverleibungsverfahrens der mexikanischen Sprache gezeichnet worden. Der Kern dieses Verfahrens besteht bekanntlich darin, daß die Beziehungen, die andere Sprachen im Satz und in der analytischen Gliederung des Satzes zum Ausdruck bringen, hier synthetisch in ein einziges Sprachgefüge, in ein komplexes „Satzwort“ zusammengezogen werden. Den Mittelpunkt dieses Satzwortes bildet der Ausdruck der verbalen Handlung, dem sich aber die mannigfachsten modifizierenden Bestimmungen in reicher Fülle anschließen. Die regierenden und regierten Teile des Verbs, insbesondere die Bezeichnungen für sein näheres oder entfernteres Objekt werden dem Verbalausdruck selbst als notwendiges Komplement eingefügt. „Der Satz“ – so bemerkt Humboldt – „soll, seiner Form nach, schon im Verbum abgeschlossen erscheinen und wird nur nachher, gleichsam durch Apposition näher bestimmt. Das Verbum läßt sich gar nicht ohne diese vervollständigenden Nebenbestimmungen nach Mexikanischer Vorstellungsweise denken. Wenn daher kein bestimmtes Objekt dasteht, so verbindet die Sprache mit dem Verbum ein eigenes, in doppelter Form für Personen und Sachen gebrauchtes unbestimmtes Pronomen: 1
ni
-2
tla
-3
qua
, 1
ich
3
esse
2
etwas
, 1
ni
-2
te
-3
tla
-4
maca
, 1
ich
4
gebe
2
jemandem
3
etwas
…“ Die Einverleibungsmethode drängt somit entweder den Gesamtinhalt der Aussage in einen einzigen Verbalausdruck zusammen, oder sie läßt, wenn dies, bei allzu komplexen Aussagen, nicht möglich ist, aus dem verbalen Mittelpunkte des Satzes „Kennzeichen gleichsam wie Spitzen ausgehen, um die Richtungen anzuzeigen, in welchen die einzelnen Teile, ihrem Verhältnis zum Satze gemäß, gesucht werden müssen“. Auch dort, wo das Verbum nicht den vollständigen Inhalt der Aussage in sich faßt, enthält es daher doch stets das allgemeine Schema der Salzkonstruktion: der Satz soll nicht konstruiert, nicht aus seinen verschiedenartigen Elementen allmählich aufgebaut, sondern als zur Einheit geprägte Form, auf einmal hingegeben werden. Die Sprache stellt zuerst ein verbundenes Ganze hin, das formal vollständig und genügend ist: sie bezeichnet ausdrücklich das noch nicht individuell Bestimmte als ein unbestimmtes Etwas durch ein Pronomen, malt aber nachher dies unbestimmt Gebliebene einzeln aus[1].

Spätere Untersuchungen amerikanischer Sprachen haben das Gesamtbild, das Humboldt hier von dem Einverleibungsverfahren entwirft, in manchen Zügen modifiziert; sie haben gezeigt, daß dieses Verfahren sich in den Einzelsprachen, was die Art, den Grad und die Ausdehnung der


  1. [1] Vgl. Humboldt, Einleit. zum Kawi-Werk (W. VII, 1, 144 f).
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/255&oldid=- (Version vom 19.1.2023)