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Anschauung und der bloßen Nominalbegriffe zu erhärten versucht hat. „Man kann sich unmöglich denken“, – so bemerkt z. B. Wundt – „der Mensch habe irgend einmal bloß in Verbalbegriffen gedacht. Das Umgekehrte, daß er bloß in gegenständlichen Vorstellungen gedacht habe, könnte man nach den psychologischen Eigenschaften viel eher verstehen; und in der Tat finden sich sehr deutliche Spuren eines solchen Zustandes nicht nur in der Sprechweise des Kindes, sondern auch in zahlreichen wirklich existierenden Sprachen, die einen ursprünglicheren Zustand begrifflicher Entwicklung bewahrt haben[1].“ Auch hier gilt indes, daß die Annahme, der Mensch habe jemals in „bloßen“ Nominalbegriffen gedacht, den gleichen prinzipiellen Mangel in sich birgt, wie die entgegengesetzte These, die die Verbalbegriffe als das zeitliche und sachliche Prius ansieht. Wir stehen hier vor einem jener Probleme, die nicht durch ein einfaches Entweder-Oder beantwortet, sondern die nur durch eine grundsätzliche kritische Berichtigung der Fragestellung selbst entschieden werden können. Das Dilemma, das lange Zeit die Sprachforscher in zwei verschiedene Gruppen und Lager schied, ist letztlich ein Dilemma der Methode. Bleibt man auf dem Boden der Abbildtheorie stehen – nimmt man somit an, daß der Zweck der Sprache in nichts anderem liegen könne, als darin, bestimmte in der Vorstellung gegebene Unterschiede äußerlich zu bezeichnen –, so hat die Frage einen guten Sinn, ob es Dinge oder Tätigkeiten, Zustände oder Eigenschaften gewesen seien, die von ihr zuerst hervorgehoben worden seien. Im Grunde aber verbirgt sich in dieser Art der Fragestellung nur der alte Fehler einer unmittelbaren Verdinglichung der geistig-sprachlichen Grundkategorien. Eine Scheidung, die erst „im“ Geiste, d. h. durch die Gesamtheit seiner Funktionen erfolgt, wird als eine substantiell vorhandene und bestehende dem Ganzen dieser Funktionen vorangestellt. Dagegen gewinnt das Problem sofort einen anderen Sinn, wenn man darauf reflektiert, daß „Dinge“ und „Zustände“, „Eigenschaften“ und „Tätigkeiten“ nicht gegebene Inhalte des Bewußtseins, sondern Weisen und Richtungen seiner Formung sind. Dann zeigt sich, daß weder die einen, noch die anderen unmittelbar wahrgenommen und, gemäß dieser Wahrnehmung, sprachlich bezeichnet werden können, sondern daß nur die zunächst undifferenzierte Mannigfaltigkeit der sinnlichen Eindrücke in der Richtung auf die eine oder die andere Denk- und Sprachform bestimmt werden kann. Diese Bestimmung zum Gegenstand oder zur Tätigkeit, nicht die bloße Benennung des Gegenstandes und der Tätigkeit, ist es, die sich, wie in der logischen


  1. [1] Wundt, Die Sprache ² I, 594.
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/247&oldid=- (Version vom 19.1.2023)