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weitere Übereinstimmung mit den Dingen haben. In der Tat wissen wir auch nicht und haben auch kein Mittel, zu erfahren, ob unsere Vorstellungen von den Dingen mit jenen in irgend etwas anderem übereinstimmen, als allein in eben jener einen fundamentalen Beziehung.“[1]

So fährt die naturwissenschaftliche Erkenntnistheorie, auf der Heinrich Hertz fußt, – so fährt die Theorie der „Zeichen“, wie sie zuerst von Helmholtz eingehend entwickelt worden ist, fort, die Sprache der Abbildtheorie der Erkenntnis zu sprechen; – aber der Begriff des „Bildes“ hat nun in sich selbst eine innere Wandlung erfahren. Denn an die Stelle einer irgendwie geforderten inhaltlichen Ähnlichkeit zwischen Bild und Sache ist jetzt ein höchst komplexer logischer Verhältnisausdruck, ist eine allgemeine intellektuelle Bedingung getreten, der die Grundbegriffe der physikalischen Erkenntnis zu genügen haben. Ihr Wert liegt nicht in der Abspiegelung eines gegebenen Daseins, sondern in dem, was sie als Mittel der Erkenntnis leisten, in der Einheit der Erscheinungen, die sie selbst aus sich heraus erst herstellen. Der Zusammenhang der objektiven Gegenstände und die Art ihrer wechselseitigen Abhängigkeit soll im System der physikalischen Begriffe überschaut werden, – aber diese Überschau wird nur möglich, sofern diese Begriffe schon von Anfang an einer bestimmten einheitlichen Blickrichtung der Erkenntnis angehören. Der Gegenstand läßt sich nicht als ein nacktes Ansich unabhängig von den wesentlichen Kategorien der Naturerkenntnis hinstellen, sondern nur in diesen Kategorien, die seine eigene Form erst konstituieren, zur Darstellung bringen. In diesem Sinne werden für Hertz die Grundbegriffe der Mechanik, insbesondere die Begriffe von Masse und Kraft zu „Scheinbildern“, die, wie sie von der Logik der Naturerkenntnis geschaffen sind, auch den allgemeinen Forderungen dieser Logik unterstehen, unter denen die apriorische Forderung der Klarheit, der Widerspruchslosigkeit und der Eindeutigkeit der Beschreibung den ersten Platz einnimmt.

Mit dieser kritischen Einsicht gibt die Wissenschaft freilich die Hoffnung und den Anspruch auf eine „unmittelbare“ Erfassung und Wiedergabe des Wirklichen auf. Sie begreift, daß alle Objektivierung, die sie zu vollziehen vermag, in Wahrheit Vermittlung ist und Vermittlung bleiben muß. Und in dieser Einsicht liegt nun eine weitere und folgenreiche idealistische Konsequenz beschlossen. Wenn die Definition, die Bestimmung des Erkenntnisgegenstandes immer nur durch das Medium einer eigentümlichen logischen Begriffsstruktur erfolgen kann, so ist die Folgerung nicht abzuweisen, daß einer Verschiedenheit dieser Medien


  1. [1] H. Hertz, Die Prinzipien der Mechanik, Lpz. 1894, S. 1 ff.
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/22&oldid=- (Version vom 4.8.2020)