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sind schließlich diejenigen sprachlichen Ausdrücke, die zu ihrer Bildung bereits eine Form der Zeitmessung voraussetzen, die also die Zeit als einen scharf bestimmten Größenwert fassen. Hier stehen wir freilich, streng genommen, bereits vor einer Aufgabe, die über den Kreis der Sprache hinausweist und die erst in den aus bewußter Reflexion entstandenen „künstlichen“ Zeichensystemen, wie sie die Wissenschaft ausbildet, ihre Lösung finden kann. Doch enthält die Sprache auch für diese neue Leistung eine entscheidende Vorbereitung: denn die Entwicklung des Systems der Zahlzeichen, das den Grund für alle exakte mathematische und astronomische Messung bildet, ist an die vorangehende Ausbildung der Zahlworte gebunden. In drei verschiedenen, aber eng miteinander verknüpften und wechselseitig aufeinander bezogenen Phasen entwickelt die Sprache die drei Grundanschauungen von Raum, Zeit und Zahl und schafft damit erst die Bedingung, an die jeder Versuch der intellektuellen Beherrschung der Phänomene und jede Synthesis derselben zur Einheit eines „Weltbegriffs“ gebunden bleibt.

III. Die sprachliche Entwicklung des Zahlbegriffs

Wenn man von der Vorstellung des Raumes zu der der Zeit und von beiden wieder zur Vorstellung der Zahl fortschreitet, so scheint sich darin der Kreis der Anschauung erst zu vollenden – aber zugleich sieht man sich mit jedem neuen Schritt mehr und mehr über diesen Kreis hinausgewiesen. Denn immer weiter weicht in diesem Fortschritt die Welt der faßbaren und greifbaren Formen zurück – und an ihrer Statt baut sich allmählich eine neue Welt: eine Welt der intellektuellen Prinzipien auf. In diesem Sinne wird das „Sein“ der Zahl schon von ihren eigentlichen philosophischen und wissenschaftlichen Entdeckern, von den Pythagoreern bestimmt. Proklos rühmt von Pythagoras, daß er zuerst die Geometrie zur freien Wissenschaft erhoben habe, indem er deduktiv (ἄνωθεν) ihre Prinzipien erforscht und ihre Lehrsätze stofflos und rein gedanklich (ἀύλως καὶ νοερῶς) dargestellt habe[1]. Die allgemeine Tendenz, die damit der wissenschaftlichen Mathematik von ihrem ersten Begründer eingeprägt war, hat sich seither immer weiter verstärkt und vertieft. Durch die Vermittlung von Platon, von Descartes und Leibniz teilt sie sich der modernen Mathematik mit. Mehr noch als die antike Mathematik sieht sich die moderne Auffassung, indem sie versucht, Geometrie und Analysis aus einem Prinzip heraus zu gestalten, auf den Zahlbegriff als


  1. [1] Proclus in Euclid., S. 64, 18 Friedl. (Diels, Fragm. d. Vorsokr., S. 279).
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/196&oldid=- (Version vom 28.10.2022)