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nach den Haupthimmelsrichtungen, einteilen[1]. Allgemein scheint es, daß die verschiedenen Sprachen in der Art, wie sie den Ausdruck der Ruhe und den der Richtung gegeneinander abgrenzen, sehr verschiedene Wege einschlagen können. Die Akzente können zwischen beiden in der mannigfachsten Weise verteilt werden: wenn Sprachtypen von rein „gegenständlichem“ Typus, von ausgesprochen nominaler Form, den Ortsbezeichnungen vor den Bewegungsbezeichnungen, dem Ausdruck der Ruhe vor dem der Richtung den Vorrang geben werden, so wird in den verbalen Sprachtypen im allgemeinen das umgekehrte Verhältnis obwalten. Eine mittlere Stellung nehmen hier vielleicht diejenigen Sprachen ein, die zwar an dem Primat des Ausdrucks der Ruhe vor dem der Richtung festhalten, dagegen auch den ersteren verbal gestalten. So wenden z. B. die Sudansprachen zum Ausdruck der Raumverhältnisse, wie des Oben und Unten, des Innen und Außen, durchweg Raumsubstantiva an, die aber selbst noch ein Verbum in sich schließen, das das Verweilen an einem Ort bezeichnet. Dieses „Lokalverbum“ wird stets gebraucht, um eine Tätigkeit auszudrücken, die an einer bestimmten Stelle vor sich geht[2]. Es ist, als könne sich die Anschauung der Tätigkeit selbst von der des bloß örtlichen Daseins nicht losreißen, als bleibe sie in ihr noch gewissermaßen gefangen[3], aber auf der anderen Seite erscheint auch dieses Dasein, erscheint auch die bloße Existenz an einem Orte noch wie eine Art tätigen Verhaltens des Subjekts, das sich in ihm befindet. Auch hier zeigt sich, wie sehr die ursprüngliche Anschauung der Sprache in der „Gegebenheit“ des Raumes verharrt, und wie sie nichtsdestoweniger notwendig über sie hinausgetrieben wird, sobald sie zur Darstellung der Bewegung und der reinen Tätigkeit übergeht. Je energischer sich die Betrachtung dieser letzteren zuwendet und je schärfer sie in ihrer Eigenart erfaßt wird, um so mehr muß sich schließlich die rein gegenständliche,


  1. [1] S. z. B. eine Liste solcher Suffixe im Nikobar bei P. W. Schmidt, Die Mon-Khmer-Völker ein Bindeglied zwischen Völkern Zentralasiens und Austronesiens, Braunschweig 1906, S. 57.
  2. [2] Ein Satz, wie „er arbeitet auf dem Felde“ erhält also in diesen Sprachen durch Anwendung des „Lokal- und Ruheverbums“, das das „Sein an einem Orte“ ausdrückt, etwa die Form: „er arbeitet, ist des Feldes Innerem“; ein Satz, wie ‚die Kinder spielen auf der Straße‘ lautet, wörtlich übersetzt, ‚die Kinder spielen, sind der Straße Fläche‘, s. Westermann, Die Sudansprachen, S. 51 ff.
  3. [3] In den Sudan- und Bantusprachen, sowie im größten Teil der hamitischen Sprachen wird eine Bewegung, die wir nach ihrem Ziel und Resultat bezeichnen, nach ihrem Anfang und ihrem örtlichen Ausgangspunkt bezeichnet, s. die Beispiele bei Meinhof, Die Sprachen der Hamiten, S. 20 Anm. Über analoge Erscheinungen in den Südseesprachen s. Codrington, Melanes. languages, S. 159 f.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/179&oldid=- (Version vom 9.10.2022)