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ihnen oder Verschonungen durch dieselben schlechterdings nicht gibt[1].“ Wesentlich nüchterner und kritischer wird indes die Art der Geltung, die den Lautgesetzen eignet, von einem Forscher, wie Hermann Paul bestimmt. „Das Lautgesetz – so betont er ausdrücklich – sagt nicht aus, was unter gewissen allgemeinen Bedingungen immer wieder eintreten muß, sondern es konstatiert nur die Gleichmäßigkeit innerhalb einer Gruppe bestimmter historischer Erscheinungen[2].“ Einer derartigen Auffassung, die im Begriff des Gesetzes nur den Ausdruck bestimmter Fakta der Sprachgeschichte, nicht den Ausdruck der letzten Faktoren aller Sprachbildung sieht, steht es frei, die beobachteten Gleichförmigkeiten auf ganz verschiedene Kräfte zu verteilen. Neben den physischen Elementarprozessen der Lauterzeugung müssen nun auch die komplexen psychischen Bedingungen des Sprechens wieder bestimmter in ihre Rechte treten. Auf jene werden jetzt im allgemeinen die konstanten Gleichförmigkeiten des Lautwandels, auf diese wird die scheinbare Durchbrechung dieser konstanten Regeln zurückgeführt. Der strengen und ausnahmslosen Durchführung der physiologischen Gesetze, die den Lautwandel regeln, steht der Trieb der sprachlichen Analogiebildung gegenüber, der darauf gerichtet ist, die formal zusammengehörigen Worte der Sprache auch lautlich zusammenzuhalten und sie einander anzugleichen. Indes hält sich freilich auch diese Anerkennung der psychischen, der „geistigen“ Faktoren der Sprachbildung zunächst noch in relativ engen Grenzen. Denn der Begriff des Geistes bedeutet hier nicht mehr dasselbe, was er für Humboldt und für die idealistische Philosophie bedeutet hatte. Er trägt selbst eine unverkennbar naturalistische Prägung: er ist durch den Begriff des Mechanismus hindurchgegangen und durch ihn bestimmt. Als Grundgesetze des Geistes erscheinen demnach jetzt die psychologischen Gesetze, die den „Mechanismus der Vorstellungen“ beherrschen. Ob man hierbei diese Gesetze im Sinne der Wundtschen, oder wie H. Paul es tut, im Sinne der Herbartschen Psychologie formuliert, gilt vom rein prinzipiellen Standpunkt aus gleichviel. Immer ist es zuletzt der Typus der „Assoziationsgesetze“, auf den man die Sprachgesetze zurückzuführen


  1. [1] Osthoff, Das Verbum in der Nominalkomposition im Deutschen, Griechischen, Slavischen und Romanischen, Jena 1878, S. 326.
  2. [2] H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte (zuerst 1886); 3. Aufl., Halle 1898, S. 61. Bei B. Delbrück erhält der gleiche Gedanke gelegentlich die paradoxe Formulierung, daß zwar die „Lautgesetze an sich“, nicht aber die „empirischen Lautgesetze“ ausnahmslos seien. (Das Wesen der Lautgesetze in Ostwalds „Annalen der Naturphilosophie“ I, 1902, S. 294.)
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/132&oldid=- (Version vom 2.10.2022)