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„unverkennbar auf Monismus hinauslaufe“. Der Dualismus, fasse man ihn nun als Gegensatz von Geist und Natur, Inhalt und Form, Wesen und Erscheinung, sei für die naturwissenschaftliche Anschauung ein vollkommen überwundener Standpunkt. Für diese gebe es keine Materie ohne Geist, aber ebensowenig einen Geist ohne Materie: oder vielmehr es gebe weder Geist noch Materie in gewöhnlichem Sinne, sondern nur eines, das beides zugleich ist. Die Sprachwissenschaft hat hieraus die einfache Folgerung zu ziehen, daß auch sie auf jegliche Sonderstellung ihrer Gesetze zu verzichten hat. Die Theorie der Evolution, die Darwin für die Arten der Tiere und Pflanzen geltend gemacht hat, muß nicht minder für die Organismen der Sprachen gelten. Den Arten einer Gattung entsprechen die Sprachen eines Stammes, den Unterarten die Dialekte oder Mundarten einer Sprache, den Varietäten und Spielarten entsprechen die Untermundarten oder Nebenmundarten und endlich den einzelnen Individuen die Sprechweise der einzelnen die Sprache redenden Menschen. Und auch hier auf sprachlichem Gebiet gilt die Entstehung der Arten durch allmähliche Differenzierung und die Erhaltung der höher entwickelten Organismen im Kampf ums Dasein, womit der Darwinsche Gedanke weit über sein ursprüngliches Gebiet hinaus bewährt und als einheitliche Grundlage der Natur- und Geisteswissenschaften erwiesen scheint[1].

Methodisch befinden wir uns damit an dem äußersten Gegenpol von Schleichers ursprünglichem Ausgangspunkt. Alles a priori Konstruierte – so wird nun ausdrücklich erklärt – ist im besten Falle ein geistreiches Spiel, für die Wissenschaft aber wertloser Plunder. Ist einmal erkannt, daß „die Beobachtung die Grundlage des heutigen Wissens“ ist, ist die Empirie unbeschränkt in ihre Rechte eingesetzt, so folgt daraus, wie die Auflösung jeglicher dialektischen Naturphilosophie, so auch die Auflösung der bisherigen Sprachphilosophie: sie gehört einer vergangenen Phase des Denkens an, deren Lösungen nicht nur, sondern selbst deren Fragestellung endgültig hinter uns liegt.

Schleicher selbst ist freilich, auch in seiner letzten Fassung des Sprachproblems, der Forderung, die er hier aufstellt, nur zum kleinen Teil gerecht geworden: – es ist leicht zu sehen, daß er in seiner Wendung von Hegel zu Haeckel nur eine Form der Metaphysik gegen eine andere vertauscht hat. Das gelobte Land des Positivismus auch wirklich zu betreten, war erst einer neuen Generation von Forschern vorbehalten, die, statt auf eine monistische oder evolutionistische Gesamterklärung des


  1. [1] S. Schleicher, Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar 1873.
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/127&oldid=- (Version vom 2.10.2022)