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Sprachen, beide Bestimmungen, die formale wie die stoffliche, notwendig miteinander, nicht die eine ohne die andere, oder die eine vor der anderen, gesetzt sind[1]. Mit alledem ist freilich nur der äußere Umriß der Humboldtschen Sprachansicht und gleichsam ihr intellektueller Rahmen bezeichnet. Was aber dieser Ansicht erst ihr Gewicht und ihre Fruchtbarkeit gab, war die Art, in der nun durch Humboldts sprachliche Forschungen dieser Rahmen ausgefüllt wurde, war die doppelte Richtung, in welcher er beständig von der Erscheinung zur Idee, und von dieser wieder zu jener überging. Der Grundgedanke der transzendentalen Methode: die durchgängige Beziehung der Philosophie auf die Wissenschaft, die Kant im Hinblick auf die Mathematik und die mathematische Physik durchgeführt hatte, erschien jetzt in einem ganz neuen Gebiet bewährt. Die neue philosophische Grundauffassung der Sprache forderte und ermöglichte eine neue Gestaltung der Sprachwissenschaft. Bopp greift in seiner Gesamtansicht der Sprache überall auf Humboldt zurück – schon die ersten Sätze seiner „Vergleichenden Grammatik“ vom Jahre 1833 gehen von dem Humboldtschen Begriff des „Sprachorganismus“ aus, um durch ihn die Aufgabe der neuen Wissenschaft der Sprachvergleichung allgemein zu bestimmen[2].

VI

Indem indes der Begriff des „Organismus“ aus dem Gebiet der spekulativen Sprachbetrachtung in den Bereich der empirischen Forschung rückt, wird damit von neuem fühlbar, daß ihm eben wegen seiner Weite eine Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit anhaftet, die ihn für die Behandlung konkreter Einzelaufgaben unbrauchbar zu machen droht. Wenn die philosophische Spekulation in diesem Begriff wesentlich eine Vermittlung zwischen einander entgegenstehenden Extremen gesehen hatte, so schien er doch eben damit an der Natur jedes dieser Extreme irgendwelchen Anteil zu gewinnen. Kann aber ein solcher Begriff, der gleichsam in allen Farben schillert, noch länger gebraucht werden, wenn es sich darum


  1. [1] Vgl. hrz. bes. Humboldts Bemerkungen über die chinesische Sprache: Lettre à M. Abel Rémusat sur la nature des formes grammaticales en général et sur le génie de la langue Chinoise en particulier, W. V, 254 ff.; über den grammat. Bau der chines. Sprache, W. V., 309 ff .
  2. [2] „Ich beabsichtige in diesem Buche eine vergleichende, alles Verwandte zusammenfassende Beschreibung des Organismus der auf dem Titel genannten Sprachen, eine Erforschung ihrer physischen und mechanischen Gesetze und des Ursprungs der die grammatischen Verhältnisse bezeichnenden Formen.“ Bopp, Vergl. Gramm. des Sanskrit, Zend, Griechischen usw., Berlin 1833, S. 1.
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/122&oldid=- (Version vom 2.10.2022)