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der erst im ganzen der konkreten Sprachanschauung Humboldts sich wirksam und fruchtbar erweist.

Für jede Darstellung der Humboldtschen Grundgedanken entspringt hieraus das Recht und die Notwendigkeit, die Gesamtheit dieser Gedanken um bestimmte systematische Mittelpunkte zu gruppieren – auch wo er diese Zentren nicht selbst als solche bezeichnet und herausgehoben hat. Humboldt ist zwar im Grunde ein durchaus systematischer Geist; aber er ist jeder bloß äußeren Technik der Systematisierung feind. So geschieht es, daß er im Bestreben, in jedem einzelnen Punkte seiner Untersuchung immer zugleich das Ganze seiner Sprachansicht vor uns hinzustellen, der scharfen und klaren Sonderung dieses Ganzen widerstrebt. Seine Begriffe sind niemals die losgelösten und reinen Produkte der logischen Analyse, sondern es schwingt in ihnen stets ein ästhetischer Gefühlston, eine künstlerische Stimmung mit, die die Darstellung belebt, aber die zugleich die Artikulation und den Gliederbau der Gedanken verhüllt. Sucht man diesen Gliederbau bloßzulegen, so sieht man sich vor allem auf drei große prinzipielle Gegensätze zurückgeführt, die das Denken Humboldts bestimmen, und für die er in der Betrachtung der Sprache einen kritischen Ausgleich und eine spekulative Versöhnung zu finden hofft.

Vor allem ist es die Trennung des individuellen und des „objektiven“ Geistes und die Wiederaufhebung dieser Trennung, die sich für Humboldt im Bilde der Sprache unmittelbar darstellt. Jedes Individuum spricht seine eigene Sprache – und doch wird es sich gerade in der Freiheit, mit der es sich ihrer bedient, einer inneren geistigen Bindung bewußt. So ist die Sprache überall Vermittlerin, erst zwischen der unendlichen und endlichen Natur, dann zwischen einem und dem anderen Individuum – zugleich und durch denselben Akt macht sie die Vereinigung möglich und entsteht aus derselben. „Man muß sich nur durchaus von der Idee losmachen, daß sie sich so von demjenigen, was sie bezeichnet, absondern lasse, wie z. B. der Name eines Menschen von seiner Person, und daß sie, gleich einer verabredeten Chiffre, ein Erzeugnis der Reflexion und der Übereinkunft oder überhaupt das Werk des Menschen (wie man den Begriff in der Erfahrung nimmt) oder gar des Einzelnen sei. Als ein wahres, unerklärliches Wunder bricht sie aus dem Munde einer Nation, und als ein nicht minder staunenswertes, wenngleich täglich unter uns wiederholtes und mit Gleichmütigkeit übersehenes, aus dem Lallen jedes Kindes hervor und ist die leuchtendste Spur und der sicherste Beweis, daß der Mensch nicht eine an sich abgesonderte Individualität besitzt, daß Ich und Du nicht bloß sich wechselseitig fordernde, sondern, wenn man bis

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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/115&oldid=- (Version vom 28.9.2022)