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wohl auch persönlich von früh an nahe stand, auf den Zentralbegriff Shaftesburys, auf den Begriff des „Genius“ zurück. Jede nationale Sprache hat ihren eigenen Sprachgeist; jede schließt ein eigentümliches formgebendes Prinzip in sich. „Wir müssen darauf achten, wie die Nationen, gleich den Einzelnen, ihre besonderen Ideen haben, wie diese besonderen Ideen der Genius ihrer Sprache werden, da das Symbol seinem Urbild entsprechen muß, wie daher die weisesten Nationen, da sie die meisten und besten Ideen besitzen, auch die vollkommensten und reichsten Sprachen haben.“ Wie es daher eine Natur, einen Genius des römischen, des griechischen, des englischen Volkes gibt, so gibt es auch einen Genius der lateinischen, der griechischen und der englischen Sprache[1]. Hier tritt – in dieser Bestimmtheit vielleicht zum erstenmal – die neue Fassung des Begriffs des „Sprachgeistes“ hervor, die fortan die gesamte philosophische Betrachtung beherrscht. Wie dieser Begriff in die deutsche Geistesgeschichte eindringt und wie er hier allmählich sein geistiges und sprachliches Bürgerrecht gewinnt, das läßt sich an der meisterhaften Darstellung, die Rudolf Hildebrand in den beiden Artikeln ‚Geist‘ und ‚Genie‘ des Grimm’schen Wörterbuchs gegeben hat, Schritt für Schritt verfolgen[2]. Von Shaftesbury und Harris zu Hamann und Herder führt hier ein direkter Weg. Hamann schreibt schon im Jahre 1768 an Herder nach Riga, daß er für ihn bei seinem Verleger den „Hermes“ bestellt habe: „ein Werk, das mir zu Ihrem Plane (der Behandlung der Sprache in den Fragmenten über die neuere deutsche Literatur) unentbehrlich zu sein schien“[3]. Und Herder selbst, der sich in seinem „Kritischen Wäldchen“ über den Laokoon gegen Lessing auf Harris’ ästhetische Theorie beruft, weist auch auf dessen Sprachtheorie beständig zurück. In seiner Vorrede zu der deutschen Übersetzung von Monboddos Werk über den Ursprung und den Fortgang der Sprache spricht er es ausdrücklich aus, daß durch diesen wie durch Harris ein neuer sicherer Weg der Sprachbetrachtung gewiesen sei: „Genug der Pfad ist gebahnt: die Grundsätze unseres Autors und seines Freundes Harris dünken mich nicht nur die einzig wahren und festen, sondern auch seine ersten Versuche, mehrere Sprachen verschiedener Völker auf verschiedenen Stufen der Kultur miteinander zu vergleichen, werden immer Vorarbeiten eines Meisters bleiben. Und so wäre einmal (gewiß noch nicht so bald) eine Philosophie des menschlichen Verstandes


  1. [1] A. a. O. B. III, ch. 5, S. 409 ff.
  2. [2] Vgl. bes. Grimm, Deutsch. Wörterbuch IV, I, 2, Sp. 2727 f. u. 3401 f.
  3. [3] Hamann an Herder 7. Sept. 1768, Schriften (Roth) III, 386.
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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/102&oldid=- (Version vom 12.9.2022)