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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

104 Ich brauche gar nicht zu sprechen von Speise und Trank und Kleidung und allen anderen notwendigen Lebensbedürfnissen, die den Proselyten nach dem Gesetze von den Einheimischen gewährt werden sollen; denn dies folgt alles von selbst aus der von Wohlwollen erfüllten gesetzlichen Vorschrift, dass man den Proselyten ebenso lieben soll wie sich selbst.

105 (13.) Noch weiter erstreckt er das Gebiet der natürliche Anziehungskraft besitzenden Menschenliebe und gebietet diese auch in Bezug auf Beisassen: er will, dass die zeitweise in fremdem Lande Niedergelassenen denen, die sie aufgenommen haben, einige Ehre erweisen, und zwar denen, die ihnen Wohltaten erwiesen haben und freundlich mit ihnen umgegangen [393 M.] sind, Ehren jeder Art, wenn sie ihnen aber ausser der Aufnahme nichts geboten haben, Ehrerbietung in mässigerer Form; denn das Weilen in einem ganz fremden Staate, ja schon das Betreten eines fremden Bodens ist an sich ein genügendes Geschenk für solche, die in ihrem eigenen Lande nicht wohnen können. 106 Moses aber geht selbst über die Grenzen der Billigkeit hinaus und ist der Ansicht, dass man auch schlechte Behandlung durch die Aufnehmenden nicht nachtragen dürfe, weil diese, wenn auch ihre Handlungsweise nicht menschenfreundlich ist, es doch dem Namen nach sind. Er gebietet nämlich ausdrücklich: „du sollst den Aegypter nicht verabscheuen, denn Beisasse warst du in Aegypten" (5 Mos. 23,8). 107 Und dies, obwohl es für die Aegypter nichts Böses gab, was sie nicht dem Volke angetan hätten, indem sie immer neue Grausamkeiten ersannen und zu den früheren hinzufügten. Trotzdem sollen sie, weil sie sie überhaupt aufgenommen, ihre Städte ihnen nicht verschlossen und den Einwanderern den Eintritt in ihr Land nicht verwehrt haben, als besondern Vorzug das vertragsmässige Recht auf freundliche Aufnahme haben. 108 Und wenn von ihnen welche zur Gemeinschaft der Juden würden übertreten wollen, so solle man sie nicht wie Söhne von Feinden in unversöhnlicher Gesinnung zurückweisen, sondern so mit ihnen verfahren, dass man sie im dritten Geschlecht in die Gemeinde berufe (ebd. V. 9) und am göttlichen Worte teilnehmen lasse,

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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/033&oldid=- (Version vom 31.10.2017)