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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

(5 Mos. 24,10.11). Die Schuldner aber sollen, wenn sie etwas haben, keine Ausflüchte machen; denn es gebührt sich, dass der Gläubiger zwar seine Macht nicht zu willkürlicher Handlungsweise missbrauche zur Verhöhnung der Schuldner, dass diese aber auch angemessene Unterpfänder geben als Zeichen der Erinnerung an die Wiedergabe fremden Eigentums.

90 (9.) Wer möchte ferner nicht die Verordnung betreffend die Schnitter oder Winzer gutheissen? Er befiehlt nämlich bei der Ernte nicht die Abfälle der Garben aufzuheben und nicht das ganze Saatfeld abzumähen, sondern einen Teil des Ackerbesitzes beim Schnitt übrig zu lassen (3 Mos. 19,9. 23,22. 5 Mos. 24,19). Einerseits fördert er die Hochherzigkeit und Freigebigkeit der Wohlhabenden durch das Gebot, etwas von ihrem Eigentum hinzugeben und nicht alles gierig einzusammeln und nach Hause zu schaffen, um es aufzuspeichern, andrerseits macht er die Armen fröhlicher; denn weil sie keinen eigenen Besitz haben, gewährt er ihnen die Freiheit, auf die Felder der Stammesgenossen zu gehen und die übriggelassenen Ecken als ihr Eigentum abzuernten. 91 Ebenso befiehlt er zur Zeit der Weinlese den Besitzern beim Pflücken die abfallenden Beeren nicht aufzulesen und keine Nachlese in den Weinbergen zu halten (3 Mos. 19,10. 5 Mos. 24,21). Dieselbe Verordnung gibt er für die Olivenernte (5 Mos. 24,20), wie ein liebevoller und gerechter Vater von Söhnen, die nicht in denselben glücklichen Verhältnissen sind, sondern teils im Ueberfluss leben, teils in äusserste Armut geraten sind; diese bedauert und bemitleidet er und heisst sie in die Besitzungen der Brüder gehen, um die fremden Früchte mitzugeniessen wie eigene — nicht in unverschämter Weise, sondern nur um ihrer Not abzuhelfen — und nicht bloss einen Anteil an der Frucht, sondern auch an dem ganzen Besitztum scheinbar zu erhalten. 92 Es gibt aber Menschen, die von so schmutziger Gesinnung sind, die so am Gelde hängen und auf jede Art von Gewinn so ängstlich bedacht sind, ohne viel zu überlegen, woher er kommen mag, dass sie in ihren Weinbergen und Oelbergen Nachlese halten und im Gersten- und Weizenfeld nachernten; sie beweisen damit nur ihre knechtische und unfreie Engherzigkeit und versündigen sich gleichzeitig gegen Gott. 93 Denn sie selbst

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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/029&oldid=- (Version vom 31.10.2017)