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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

dann werden sie Vergebung erlangen bei dem hilfreichen und gnädigen Gotte (5 Mos. 30,1–3), der dem Menschengeschlecht ein ganz besonderes und bedeutsames Gnadengeschenk gewährt hat, die Verwandtschaft mit der göttlichen Vernunft, nach deren Ebenbild der menschliche Geist geschaffen ist. 164 Und selbst wenn sie an den äussersten Enden der Erde als Knechte dienen werden bei den Feinden, die sie kriegsgefangen weggeführt, sollen sie wie auf eine Verabredung alle an einem Tage frei werden (ebd. V. 4), weil ihre völlige Bekehrung zur Tugend ihren Herren Schrecken einjagen wird: sie werden sie freilassen, weil sie sich scheuen über Bessere zu herrschen. 165 (9.) Wenn sie aber die so unerwartete Freiheit erlangt haben, werden die vorher in Hellas und im Barbarenlande, auf den Inseln und auf den Festländern Zerstreuten mit einem Male sich erheben und von [p. 436 M.] allen Seiten nach einem ihnen angewiesenen Orte hineilen, geleitet von einer göttlichen, übermenschlichen Erscheinung, die für andere unsichtbar und nur für die Wiedergeretteten sichtbar ist, 166 und unterstützt von drei Helfern[1], um die Versöhnung mit dem himmlischen Vater zu erlangen: der eine ist die Milde und Güte des Angerufenen, der stets die Vergebung der Strafe vorzieht; der zweite ist die Frömmigkeit der Erzväter des Volkes, die mit ihren vom Körper losgelösten Seelen die reine und lautere Verehrung dem Herrn darbringen und die Gebete für ihre Söhne und Töchter an ihn zu richten pflegen, die nicht unerfüllt bleiben, da der Vater ihnen zur Belohnung die Erhörung ihrer Gebete gewährt hat[2]; 167 die dritte Hilfe leistet ihnen das, weshalb ihnen hauptsächlich das Wohlwollen der beiden ersten Helfer vorausgeht, das ist die Besserung der zum Frieden und zur Versöhnung (mit Gott) Zurückgeführten, die nur mit Mühe von dem Abweg


  1. Auch die Rabbinen gebrauchen bei der Nennung der Mittel, Vergebung der Sünden bei Gott zu erlangen, bisweilen den griechischen Ausdruck παράκλητοι (פרקליטין‎) = Helfer, Fürsprecher, Mittler; besonders Busse (תשובה‎) und gute Werke (מעשים טובים‎) werden die grossen Parakleten genannt: Schabbat 32a u. ö.
  2. Die jüdische Anschauung von der wirksamen Fürbitte der Erzväter für ihre Nachkommen (זכות אבות‎) knüpft an Bibelstellen wie 2 Mos. 32,13. 3 Mos. 26,43 u. ä. an. Vgl. Midr. Schemot R. c. 44.
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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/046&oldid=- (Version vom 22.10.2017)