Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/023

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

die Kümmernisse leichter zu ertragen, wenn sie nicht untilgbare Schuld begangen haben. 73 Sowie nun für den, der von einem Sturzbach mit fortgerissen wird, die nahe Flut, die ihn fortreisst, schrecklich ist, schrecklicher aber noch die von oben hinzukommende, die durch ihre Gewalt ihn heftig und unaufhörlich weiter treibt, sich dann hoch über ihn erhebt und über ihn wegströmt, ebenso sind zwar auch die sichtbar vorliegenden Leiden schmerzlich, weit schlimmer aber solche, die nur aus der Furcht entspringen; denn die Furcht führt uns wie aus einer Quelle die Leiden reichlich zu.

74 (13.) Das sind die Strafen, die über den ersten Brudermörder verhängt wurden. Andere wurden über ganze Häuser verhängt, die sich zu gemeinsamer sündhafter Tat verbunden hatten. Es gab da einige Tempelwärter und Tempeldiener, die etwa den Rang von Torhütern einnahmen; diese erhoben sich in sinnlosem Uebermut wider die Priester und wollten die Ehrengaben, die diesen zukommen, sich aneignen (4 Mos. Kap. 16). 75 Sie stellten an die Spitze der Bewegung als Führer den Aeltesten unter ihnen, der mit einigen Pflichtvergessenen der Anstifter des Unternehmens war, verliessen ihren Platz an den Toren und äusseren Eingängen und drangen in das Innere des Heiligtums ein, in der Absicht, die durch göttliche Offenbarungen zum Priesteramt Berufenen zu verdrängen. 76 Eine allgemeine Aufregung entstand nun natürlich im Volke, da doch unerschütterliche Einrichtungen erschüttert und die Gesetze verletzt waren und die Ordnung im Heiligtum infolge der schrecklichen Unruhe in Verwirrung geriet. 77 Der Führer und Leiter des Volkes empfand darüber heftigen Unwillen. Zuerst versuchte er in ernstem Ton ohne Zorn — denn er war auch von Natur nicht zum Zorn geneigt — sie mit Worten zu bestimmen, ihren Sinn zu ändern, die gesetzten Schranken nicht zu überschreiten und nichts gegen die heiligen und geweihten Einrichtungen zu unternehmen, auf denen die Hoffnungen des Volkes beruhen. 78 Als er aber nichts ausrichtete, jene vielmehr auf alles stumm blieben, weil sie der Meinung waren, dass er nur verwandtschaftlichem Gefühl nachgegeben und deshalb den Bruder zum Hohenpriester bestellt und den Bruderssöhnen das Priesteramt zugewendet habe, hielt er dies nicht

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/023&oldid=- (Version vom 2.10.2017)