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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

grossen Menge als solche gelten — denn unheilig sind diese vielmehr, da sie für Gewalttat, Frevel, Ungerechtigkeit statt der höchsten Strafen Ehrengaben und Auszeichnungen bieten — , sondern solche, die die Seele durchzukämpfen hat, indem sie mit Klugheit Torheit und Tücke vertreibt, mit Besonnenheit Liederlichkeit und Knickrigkeit, mit Tapferkeit Keckheit und Feigheit, und mit den anderen Tugenden die entgegengesetzten Laster, die weder sich selbst noch anderen von Nutzen sind. 53 Alle Tugenden sind zwar (reine) Jungfrauen, die schönste aber und gleichsam die Führerin in einem Chor ist die Frömmigkeit, die in ganz hervorragendem Masse der Gottesmann Moses sich zu eigen gemacht hat; durch sie erlangt er auch unter vielem andern, was in den von mir verfassten Büchern über sein Leben geschildert ist, vier auserlesene Preise: die Führerschaft, den Beruf des Gesetzgebers, den Prophetenberuf und das Priesteramt. 54 Königlicher Führer ist er nämlich gewesen, nicht in dem gewöhnlichen Sinne, weil er im Besitz einer Heeres- und Waffenmacht von Schiffsvolk, [p. 417 M.] Fussvolk und Reiterei war, sondern weil er von Gott dazu bestimmt wurde mit freiwilliger Zustimmung der Geführten; denn Gott hatte diese freie Wahl bei den Untergebenen bewirkt. Ohne rednerisches Talent, ohne grossen Besitz und ohne Vermögen wurde er zum alleinigen Führer für uns bestellt, weil er den „sehenden“ Reichtum über den „blinden“[1] gestellt hatte und, wenn ich es unverhohlen sagen soll, das Erbe Gottes als seine Habe ansah. 55 Er wird zugleich Gesetzgeber; denn ein König hat zu befehlen und zu verbieten, Gesetz ist aber nichts anderes als die Vernunft, die gebietet was man (tun) muss und verbietet was man nicht darf[2]. Da aber Unklarheit darüber herrscht, was in beiden Fällen zuträglich ist — denn unwissentlich gebieten wir häufig was man nicht tun darf und verbieten was man tun müsste — , so war es


  1. Vgl. über Abraham § 25 und die Anm. dazu.
  2. Stoische Definition: Stob. Ekl. II 7,11 τόν τε νόμον σπουδαῖον εἶναί φασι, λόγον ὀρθὸν ὄντα προστακτικὸν μὲν ὧν ποιητέον, ἀπαγορευτικὸν δὲ ὧν οὐ ποιητέον. Cic. de leg. I 6,18 ... lex est ratio summa, insita in natura, quae iubet ea quae facienda sunt prohibetque contraria. Vgl. auch Philo de migr. Abrah. § 130. de Josepho § 29. Vita Mos. II § 4.
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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/018&oldid=- (Version vom 2.10.2017)