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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn


24 Nach dieser Trias gibt es eine zweite von noch frömmeren und noch mehr von Gott geliebten Männern, die einer Verwandtschaft angehören: Vater, Sohn und Enkel nämlich strebten nach demselben Lebensziel, dem Schöpfer und Vater des Alls zu gefallen; sie verachteten, was die meisten bewundern, Ruhm, Reichtum und Vergnügen, sie verlachten auch den Wahnglauben, der stets aus erlogenen Dingen bunt zusammengesponnen wird zur Täuschung der Zuschauer[1]. 25 Das ist das betörende, die seelenlosen Dinge zu Göttern gestaltende, grosse und schwer zu überwältigende Belagerungswerk, durch dessen schlaue Künste jegliche Stadt geködert wird und die Gemüter der jungen Leute eingenommen werden; denn von frühester Jugend eingepflanzt, sitzt (der Wahnglaube) bis ins Alter fest, ausgenommen bei solchen, denen Gott einen Strahl der Wahrheit ins Herz senkt; der Wahrheit steht aber der Wahnglaube feindlich gegenüber, und er weicht ungern zurück und nur, nachdem er mit starker Macht überwältigt ist. 26 Diese Art Menschen[2] ist zwar gering an Zahl, aber doch stark und mächtig, sodass sie in dem ganzen Erdkreis nicht Raum genug finden kann, sondern selbst in den Himmel eindringt; denn ergriffen von unsagbarer Sehnsucht zu schauen und mit den göttlichen Dingen immer zusammenzusein, wenden sie sich, sobald sie die ganze sichtbare Natur erforscht und durchwandert haben, alsbald der unkörperlichen und rein geistigen Welt zu, wofür sie keines der Sinneswerkzeuge in Anspruch nehmen, sondern alles Unvernünftige der Seele abstreifen und allein den Teil gebrauchen, der Geist und Vernunft genannt wird. 27 Der Urheber dieser gottgefälligen Ansicht, der zuerst vom Irrglauben zur Wahrheit übertrat und durch die Tugend als Lehrmeisterin zur Vollkommenheit gelangte, empfängt als Lohn das Vertrauen auf Gott[3]; dem Manne, der infolge einer glücklichen Naturanlage


  1. Philo denkt hier wohl vorzugsweise an die symbolischen Darstellungen von Göttermythen in den Mysterienkulten, die auf die Sinne und auf die Gemüter der Teilnehmer grosse Wirkung ausübten. (Mit Bezug auf die Erzväter gesagt, enthält der Satz einen starken Anachronismus).
  2. d. h. Menschen, die wie die Erzväter äussere Güter verachten und den Wahnglauben der Götzendiener verlachen (§ 24).
  3. Abraham, der Typus des durch Belehrung zur Vollkommenheit gelangenden Weisen bei Philo (Ueber Abraham § 52), wird dadurch belohnt, dass die heilige Schrift von ihm sagt (1 Mos. 15,6): „er vertraute Gott“; vgl. Ueber Abraham § 262.
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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/011&oldid=- (Version vom 30.9.2017)