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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

und mit ihm die andern vom Hunger bedrückten Länder und Völker in überaus fürsorglicher Weise, indem er die Nahrungsmittel angemessen verteilte und nicht nur auf den Nutzen für die Gegenwart, sondern auch auf den Vorteil für die Zukunft sah. 260|Als nämlich das siebente Jahr der p. 78 M. Hungersnot anbrach, liess er, da man bereits wieder auf Fruchtbarkeit und guten Bodenertrag hoffen durfte, die Ackerbauer holen und gab ihnen Gerste und Weizen zur Aussaat, sorgte aber dafür, dass niemand etwas entwendete, sondern jeder das, was er empfing, wirklich dem Boden anvertraute; er stellte nämlich Späher und Wächter nach sorgfältiger Auswahl an, die die Aussaat zu überwachen hatten.

261Als aber lange nach der Hungersnot der Vater gestorben war, wurden die Brüder wieder von Argwohn ergriffen und fürchteten, dass ihre böse Tat ihnen noch immer nachgetragen werde, und dass sie jetzt dafür würden büssen müssen; deshalb gingen sie zu ihm, nahmen ihre Frauen und Kinder mit und baten flehentlich um Verzeihung. 262|Er aber erwiderte ihnen weinend: „Der Zeitpunkt ist zwar geeignet argwöhnische Besorgnis denen zu erregen, die einstmals Entsetzliches verübt haben und bisher in keiner andern Weise als bloss durch ihr Gewissen dafür bestraft sind; ja, der Tod des Vaters hat die alte Furcht, die ihr vor der Wiederversöhnung hattet, erneuert, als ob ich damals nur, um den Vater nicht zu betrüben, die Verzeihung gewährt hätte. 263|Ich aber wandle meinen Sinn nicht mit den Zeiten, und nachdem ich einmal erklärt habe Frieden zu halten, werde ich niemals feindselig handeln; denn ich habe nicht die Rache verschoben und die rechte Zeit abgewartet, sondern habe die Befreiung von jeder Strafe für immer gewährt, teils aus Ehrfurcht vor dem Vater — denn ich darf nicht lügen —, teils aber auch aus inniger Liebe zu euch. 264|Aber wenn ich auch bloss des Vaters wegen so edel und menschenfreundlich gehandelt hätte, so will ich es doch auch so halten, nachdem der Vater tot ist; denn nach meinem Urteil ist kein tugendhafter Mann tot, ein solcher lebt vielmehr immerfort, nie alternd, in unsterblicher Wesenheit, als Seele, die nicht mehr an die Enge des Körpers gefesselt ist. 265|Was brauche ich aber nur des

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/058&oldid=- (Version vom 6.9.2017)