Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn | |
|
geworden wäre und die Hungersnot sich in Ueberfluss verwandelt hätte. 251|(42.) Als aber der König erfuhr, das Josephs Vater noch lebe und die Familie zahlreich sei, forderte er sie (Josephs Brüder) auf, mit ihrer ganzen Familie auszuwandern, und versprach ihnen, wenn sie kommen würden, den fruchtbarsten Teil Aegyptens zu schenken. Er gibt den Brüdern auch Lastwagen und Reisewagen und eine Anzahl Lasttiere, die mit den Lebensmitteln beladen wurden, und genügende Dienerschaft, um den Vater sicher zu geleiten. 252|Als sie aber bei ihm angekommen waren und die unglaublichen und unverhofften Dinge von dem Bruder erzählten, hörte er nicht sehr aufmerksam zu; denn wenn auch die Sprechenden glaubwürdig waren, so liess es doch das Ungewöhnliche der Sache nicht zu, ihnen leichthin Glauben zu schenken. 253|Als der Greis aber die für solche Zeit allzu reichlichen Vorräte an Lebensmitteln sah, die mit den Erzählungen von Josephs Glück im Einklang standen, da pries er Gott, dass er ihm den verloren geglaubten Teil seines Hauses wiederschenkte. 254|Die Freude darüber erzeugte aber auch sogleich die Besorgnis in seiner Seele wegen der Abwendung von den väterlichen Sitten[1]; denn er wusste, dass die Jugend von Natur leicht strauchelt, und dass in der Fremde grössere Freiheit zu sündigen gegeben, ist, besonders im Lande Aegypten, das p. 77 M. in seiner Verblendung den wahren Gott verkennt und aus vergänglichen und sterblichen Dingen sich Götter bildet; er bedachte auch, dass Reichtum und Ruhm auf kleine Geister schädlich wirken, und dass er, allein gelassen und guter Lehrer beraubt, da keiner aus dem väterlichen Hause, der ihn zurechtweisen konnte, mit ihm ausgezogen war, leicht zur Annahme fremder Sitten geneigt sein konnte. 255|Als nun der, welcher allein in die unsichtbare Seele zu schauen vermag, ihn in solcher Stimmung sah, hatte er Erbarmen mit ihm und erschien ihm nachts im Schlafe und sagte: „Fürchte nichts wegen der Reise nach Aegypten; ich selbst werde dir auf dem Wege vorangehen und dir die Reise sicher und
- ↑ In der Bibel (1 Mos. 45,28) steht nichts von einer derartigen Besorgnis Jakobs. Philo will auf diese Weise die Worte „fürchte dich nicht nach Aegypten hinabzuziehen“ (1 Mos. 46,3) erklären.
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/056&oldid=- (Version vom 6.9.2017)