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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

du über uns erfahren hast. Oder haben wir nicht das in den Sticken damals gefundene Geld, ohne dass einer es verlangte, wiedergebracht, um es abzuliefern? Jetzt aber sollen wir unsern Charakter so geändert haben, dass wir dem Gastgeber mit Schädigungen und Diebstählen (seine Güte) vergelten? Allein solches ist weder geschehen noch würde es uns je in den Sinn kommen. 216|Wer von uns Brüdern im Besitz des Bechers betroffen wird, soll sterben; den Tod beantragen wir als Strafe für das Verbrechen, falls es wirklich geschehen ist, aus vielen Gründen: erstens weil Habsucht und das Begehren fremden Eigentums eines der grössten Verbrechen ist, zweitens weil der Versuch, die Wohltäter zu schädigen, eine Ruchlosigkeit ist, und drittens weil es die grösste Schmach ist, wenn Menschen, die auf ihre edle Abstammung stolz sind, das Ansehen ihrer Vorfahren durch p. 72 M. strafwürdige Handlungen zu vernichten sich erdreisten. Wenn einer von uns gestohlen hat, ist er aller dieser Verbrechen schuldig, er hat mehrfach den Tod verdient und soll sterben“. 217|(37.) Und während sie noch sprechen, nehmen sie den Zugtieren die Lasten ab und fordern (den Verwalter) auf, mit grösster Sorgfalt alles zu durchsuchen. Dieser wusste zwar sehr wohl, dass der Becher in dem Sacke des Jüngsten lag, da er selbst ihn heimlich hineingelegt hatte, er stellte sich aber unwissend, machte bei dem Aeltesten den Anfang und suchte der Reihe nach ihrem Alter entsprechend, indem ein jeder seinen Sack verbrachte und zeigte, bis zu dem letzten, bei dem denn auch das Gesuchte gefunden wurde. Bei dem Anblick (des Bechers) schrieen sie alle laut auf, zerrissen ihre Kleider, weinten und stöhnten, beklagten im voraus den noch lebenden Bruder und nicht minder sich selbst und den Vater, der das Unglück, das dem Sohne zustossen würde, vorausgesagt und deshalb nicht zugeben wollte, dass der Bruder mit ihnen ziehe, als sie es verlangten. 218|Niedergeschlagen und verstört zogen sie nun denselben Weg in die Stadt zurück, ausser sich über das Geschehene, aber doch mit dem Gedanken, dass ein böser Anschlag und nicht Habgier des Bruders dahinterstecke. Sie werden alsbald zu dem Landesverweser geführt und legen ihre aus echtem

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/049&oldid=- (Version vom 6.9.2017)