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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

litten. Sie aber rechneten ihm als einsichtige Männer auch dies zum Lobe an, dass er protziges Benehmen, das zu Neid leicht Anlass gibt, verabscheue, und sagten: „Wie zeigt er auch sein Mitgefühl mit den Darbenden und wahrt doch zugleich die Würde des Gastgebers, indem er die rechte Mitte innehält und den Tadel nach beiden Richtungen vermeidet“. 206|Die Zurüstungen hatten also nichts Anstössiges und waren den Verhältnissen angemessen; das Fehlende ersetzten die fortwährenden Beweise von Freundlichkeit, im Zutrinken, in guten Wünschen und in Aufforderungen zum Nehmen (der Speisen), lauter Dinge, die den Freien und Gebildeten angenehmer sind als alles an Speise und Trank, was die Liebhaber grosser Gastmähler bereit halten, die ganz wertlose Dinge als Schaustücke für Unverständige in Parade vorführen.

207(35.) Am folgenden Tage mit dem Frührot lässt Joseph den Verwalter seines Hauses holen und befiehlt ihm, die Säcke der Männer, die sie mitgebracht hatten, mit Getreide zu füllen und wiederum an den Oeffnungen, das Geld in Beuteln hinzulegen, in den Sack des Jüngsten aber auch noch den schönsten seiner silbernen Becher, aus dem er selbst zu trinken gewohnt war. 208|Der Verwalter führte bereitwillig den Auftrag aus, ohne einen Zeugen zuzulassen; sie aber wussten nichts von dem heimlichen Tun und zogen ab in voller Freude über alles Gute, das sie wider Erwarten erfahren hatten. 209|Denn was sie erwarteten, war dies: dass sie wegen Entwendung des zurückgegebenen Geldes eine Anklage zu bestehen haben, dass sie den als Geisel zurückgelassenen Bruder nicht zurückerhalten und vielleicht dazu noch den jüngsten verlieren werden, denn er würde gewaltsam zurückgehalten werden von dem Manne, der so eifrig gewünscht hatte, dass er mitgebracht werde. 210|Was aber wirklich geschah, ging noch über die höchsten Wünsche hinaus: abgesehen davon dass keine Anklage erhoben wurde, teilten p. 71 M. sie „Tisch und Salz“ mit ihm, was als Symbol echter Freundschaft bei den Menschen gilt, hatten sie den (gefangenen) Bruder unverletzt zurückerhalten, ohne dass einer darum zu bitten brauchte, und den jüngsten führten sie

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/047&oldid=- (Version vom 6.9.2017)