Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/014

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

Sklave durch die Preise[1], die er zu empfangen glaubt, und lässt sich von zahllosen Herren abführen. 36|Er wird auch als ein von wilden Tieren Zerrissener dargestellt; denn ein ungezähmtes Tier ist die auf der Lauer liegende eitle Ruhmsucht, die alle, die von ihr erfüllt sind, anpackt und vernichtet. Die Käufer aber verkaufen ihn weiter; denn die Staatsmänner haben zum Herrn nicht einen Mann, sondern einen Volkshaufen und zwar in beständigem Wechsel immer wieder andere; sie wechseln aber nach Art schlechter Sklaven die Herren, denn bei ihrem ungleichmässigen, habgierigen und neuerungssüchtigen Charakter halten sie es bei den früheren nicht aus.

37 (8.) Soviel darüber. Der Jüngling wurde aber nach Aegypten gebracht und kam, wie gesagt, zu einem Eunuchen als Herrn; und da er in wenigen Tagen Proben seiner Tüchtigkeit und seines edlen Sinnes lieferte, erhielt er die Aufsicht über seine Mitsklaven und die Sorge für das ganze Hauswesen; denn schnell zog der Besitzer aus vielen Umständen den Schluss, dass jener nicht ohne göttliche Eingebung alles rede und tue. 38|Er wurde also dem Anscheine nach von seinem Herrn zum Aufseher über das Hauswesen eingesetzt, in der Tat aber und in Wahrheit von der Natur[2], die ihm die Herrschaft über Städte, über ein Volk und ein grosses Land antrug. Er sollte nämlich, da er zum Staatsmann bestimmt war, vorher auch in den Geschäften der Hausverwaltung tüchtig eingeübt werden; das Haus ist ja ein Staat im Kleinen und die Hausverwaltung eine kleine Staatsverwaltung, wie umgekehrt der Staat ein grosses Haus und die Staatsverwaltung die Hausverwaltung einer Gesamtheit. 39|Daraus folgt, dass Hausverwalter und Staatsmann eins und dasselbe sind, wenn auch die Menge und Grösse der ihnen obliegenden Pflichten verschieden ist. Aehnlich verhält es sich ja auch mit der Malerei und Bildhauerkunst: der tüchtige Bildhauer oder Maler bleibt, gleichviel ob er




  1. In τιμῶν liegt ein Wortspiel: τιμή bedeutet zugleich Kaufpreis und Ehre.
  2. Hier gleichbedeutend mit „göttlicher Vorsehung“, entsprechend der stoisch-pantheistischen Terminologie.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/014&oldid=- (Version vom 1.9.2017)