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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

seine Herzenseinfalt, er merkt den versteckten Hass der Brüder gar nicht und erzählt ihnen einen glückverheissenden Traum, den er einmal hatte, wie guten Freunden: „Mir träumte“, sagt er, „dass die Zeit der Ernte herangekommen war und wir alle zur Einsammlung der Erdfrucht aufs Feld kamen und Sicheln nahmen und mähten, dass dann plötzlich meine Garbe aufstand und sich hoch emporrichtete, während eure Garben wie auf Verabredung scheu zu ihr hinliefen und mit aller Ehrfurcht sich verbeugten“. 7|Die Brüder aber, die durch ihre Einsicht wohl befähigt waren, der symbolisch angedeuteten Tatsache[1] durch wahrscheinliche Vermutungen auf die Spur zu kommen, sagten zu ihm: „du meinst doch nicht etwa König und Herr über uns zu werden? denn solches deutest du mit deinem erlogenen Traum an“. 8|Der Hass aber wurde noch mehr genährt und bekam immer neuen Anlass zum Wachsen. Einige Tage später berichtete er ahnungslos den Brüdern einen zweiten Traum, den er gehabt hatte, und der sie noch mehr erschreckte als der erste. Er sah nämlich im Traum, dass die Sonne und der Mond und elf Sterne kamen und sich vor ihm verbeugten. Auch der Vater war darüber verwundert; er bewahrte die Sache in seinem Herzen und dachte an die Zukunft[2]. 9|Den Knaben aber wies er aus Furcht, etwas zu versehen, sehr ernst zurecht und sagte ihm: „Sollen wir etwa, ich und die Mutter und deine Brüder, in die Lage kommen uns vor dir zu verbeugen? denn es scheint doch, dass du mit der Sonne den Vater, mit dem Mond die Mutter und mit den elf Sternen p. 43 M. deine elf Brüder bezeichnest. Möge solches dir nie in den Sinn kommen, mein Sohn; möge vielmehr die Erinnerung an den Traum dir rasch entschwinden; denn die Hoffnung und Erwartung einer Herrschaft über die Angehörigen ist nach meinem Urteil und, ich glaube, nach dem Urteil aller, denen gleiches Recht und rechtes Verhalten unter Verwandten


  1. πρᾶγμα δηλούμενον (nicht πρᾶγμ’ ἀδηλούμενον) ist mit der Mehrzahl der Hss. zu lesen; διὰ συμβόλων ist mit δηλούμενον zu verbinden.
  2. Midr. Beresch. R. c. 84 zu 1 Mos. 37,11: „… Der heilige Geist sprach (zu Jakob); beachte die Worte, denn sie werden einst in Erfüllung gehen“. Vgl. Joseph. Altert. II § 15.
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Philon: Ueber Joseph in der Übersetzung von Leopold Cohn. Breslau 1909, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/007&oldid=- (Version vom 1.9.2017)