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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

wann er will, sein Eigentum zurückzunehmen[1]; denn nur so werden wir uns den Kummer über den Verlust erleichtern. Nun aber halten die meisten alles für ihren eigenen Besitz und leiden deshalb schwer darunter, wenn ihnen etwas fehlt oder verloren geht. 119 Es ist also nicht nur wahr, sondern gehört auch zu den Dingen, die zu unserem Troste beitragen können, dass die Welt und alles was darin ist Werke des Schöpfers sind und seine Besitzungen. Sein Werk verschenkt der Besitzer, weil er nichts braucht; wer es aber geniesst, besitzt es nicht, weil nur einer Herr und Gebieter über alles ist, der mit vollem Recht sagen wird: „mein ist die ganze Erde“ — was soviel bedeutet wie: die ganze Schöpfung ist mein —, „ihr aber seid Fremdlinge und Beisassen vor mir (3 Mos. 25,23). 120 (34.) Zu einander nämlich befinden sich alle Geschöpfe in dem Verhältnis von Urbewohnern und Adligen“ die alle gleiche Rechte geniessen und gleiche Lasten tragen zu Gott dagegen in dem Verhältnis von Fremdlingen und Beisassen; denn jeder von uns ist gleichsam wie in eine fremde [p. 161 M.] Stadt in diese Welt gekommen, an der er vor der Geburt keinen Anteil hatte, und nach seiner Ankunft wohnt er darin nur als Beisasse, bis er die ihm zugemessene Lebenszeit beendet hat. 121 Zugleich jedoch enthält das Wort auch eine sehr weise Lehre, dass eigentlich Gott allein ein Bürger ist, jedes Geschöpf nur Beisasse und Fremdling, und dass die sogenannten „Bürger“ mehr missbräuchlich als wahrheitsgemäss so bezeichnet werden. Es ist aber schon ein hinreichendes Geschenk für weise Männer, bei einem Vergleich mit Gott, dem einzigen Bürger, den Rang von Fremdlingen und Beisassen zu erhalten, da doch von den Unverständigen keiner auch nur als Fremdling oder Beisasse in Gottes Staate gilt, jeder vielmehr durchaus als Verbannter behandelt wird, wie es denn auch die Schrift als wichtige Lehre ausgesprochen hat. „Das Land soll nicht gänzlich verkauft werden“, heisst es (ebenda)[2].


  1. Zum Gedanken vgl. Eur. Phoen. 555 ff. οὔτοι τὰ χρήματ’ ἴδια κέκτηνται βροτοί, τὰ τῶν θεῶν δ’ ἔχοντες ἐπιμελούμεθα· ὅταν δὲ χρήζωσ’, αὔτ’ ἀφαιροῦνται πάλιν.
  2. Philo meint offenbar die Bibelworte (3 Mos. 25,23) καὶ ἡ γῆ οὐ πραθήσεται εἰς βεβαίωσιν (s. ob. § 108); er zitiert sie hier in etwas geänderter Fassung πράσει οὐ πραθήσεται ἡ γῆ (vgl. 5 Mos. 21,14 καὶ πράσει οὐ πραθήσεται ἀργυρίου).
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: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/036&oldid=- (Version vom 3.12.2016)