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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

diese Welt, ein vollkommenes Werk wird, würdig seines Schöpfers[1].

113 (32.) So hat Gott die Dinge geordnet und die Macht über alle in seiner Hand behalten, ihren eigenen und gegenseitigen Gebrauch und Genuss aber den Untergebenen zugeteilt; denn wir haben uns selbst und was um uns ist nur als Lehen. Ich, der ich aus Seele und Körper zusammengesetzt bin und Verstand, Sprache und Sinnlichkeit zu haben glaube, finde doch, dass nichts davon mein Eigentum ist[2]. 114 Denn wo war mein Körper vor meiner Geburt? Wohin wird er nach meinem Tode gehen? Wo (bleiben) die Altersunterschiede dessen, der zu bestehen scheint? wo (bleibt) der Säugling, wo das Kind, wo der Knabe, wo der heranwachsende Knabe, wo der Jüngling, der bärtige Jüngling, der junge Mann, der gereifte Mann? Woher kam die Seele, wohin wird sie gehen, wie lange Zeit wird sie mit uns zusammenleben? Können wir sagen, was sie ihrer Substanz nach ist? Wann haben wir sie erworben? vor der Geburt? aber da existierten wir noch nicht; < besteht sie > nach dem Tode? aber da werden wir nicht mehr sein, die wir so mit dem Körper vereinigt sind, sondern werden zur Wiedergeburt gelangen, wo wir mit Unkörperlichen vereinigt sind[3]. 115 Aber jetzt, da


  1. Die ganze Schilderung beruht auf der schon auf Heraklit zurückgehenden und besonders von den Stoikern begründeten Lehre von den Gegensätzen und der durch sie hervorgerufenen Harmonie des Weltganzen; vgl. besonders die Pseudo-Aristotelische Schrift von der Welt, in der Posidonius benutzt ist, cap. 5: „ ... So liebt die Natur wohl die Gegensätze und wirkt gerade aus ihnen den Einklang. So führt sie das männliche mit dem weiblichen Geschlecht zusammen und nicht etwa jede Gattung mit ihresgleichen. ... So durchwaltet auch den Bau des Ganzen, des Himmels und der Erde und des gesamten Alls, infolge der Mischung der entgegengesetzten Prinzipien eine einzige Harmonie...“ Seneca Nat. Quaest. VII 27,4 ... tota haec mundi concordia ex discordibus constat.
  2. Die im Folgenden ausgesprochenen Gedanken und Fragen, die aus einer skeptischen Quelle (Aenesidem) stammen, finden sich ähnlich auch in der Schrift Ueber Joseph § 127 ff. (s. die Anm. zu § 125). Vgl. Plut. de εἶ ap. Delph. c. 18.
  3. Nach der aus den Mysterienkulten stammenden Lehre von der παλιγγενεσία wird die Seele, nachdem sie den menschlichen Körper verlassen, zu einem übermenschlichen, körperlosen Leben wiedergeboren und vereinigt sich mit den höheren Wesen, mit Gott. In den Quaest. in Exod. II § 46 vergleicht Philo damit Moses’ Hinaufsteigen auf den Berg Sinai (2. Mos. 24,18).
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/034&oldid=- (Version vom 3.12.2016)