Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn | |
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Guten entfernen und vertreiben und abwendig machen wollte, ist gegen solche Stärke und Festigkeit machtlos. 104 Auf der regelrechten Beschäftigung mit den Vorbereitungswissenschaften als Hauptsache beruhen die Dinge, die zum Schmucke der Seele gehören; denn so wie Wandbekleidungen, grosse und kleine Gemälde und kostbare Steinmosaiken, mit denen man nicht nur Wände, sondern auch die Fussböden ausschmückt, [p. 158 M.] und alle anderen derartigen Dinge nicht zur Festigkeit beitragen, sondern nur den Bewohnern Freude machen, 105 ebenso schmückt die Kenntnis der allgemeinen Wissenschaften das ganze Haus der Seele: die Sprachwissenschaft, die die (Werke der) Dichtkunst erforscht und die Geschichte früherer Begebenheiten verfolgt, die Geometrie, die die Gleichmässigkeit in den Grössenverhältnissen lehrt, während die edle Musik das Unrhythmische, Unharmonische, Unmelodische in uns durch Rhythmus, Harmonie und Melodie beseitigt und die Redekunst den Wert eines jeden Begriffes prüft und allen den angemessenen Ausdruck verleiht, die starken Betonungen und Gefühlsäusserungen und umgekehrt das Herabstimmen und die Milderung des Tones nebst dem Plauderton und der rechten Behandlung der Zunge und der Sprachwerkzeuge lehrt[1]. 106 (31.) Wenn ein solches Haus bei dem Menschengeschlecht eingerichtet ist, wird alles Irdische mit schönen Hoffnungen erfüllt werden in Erwartung der Herabkunft der Kräfte Gottes; diese werden Gesetze und Verordnungen vom Himmel bringen und auf Geheiss ihres Vaters herabkommen, um (die Menschen) zu reinigen und zu heiligen; dann teilen sie Wohnung und Tisch mit den tugendliebenden Seelen und pflanzen in ihnen das glückselige Geschlecht, wie sie auch Abraham, dem Weisen, zum Dank für die Einkehr bei ihm den Isaak, die vollkommene <Freude>[2], geschenkt haben. 107 Ueber nichts freut sich aber die gereinigte Seele mehr als darüber, bekennen zu dürfen, dass sie zum Herrn den Beherrscher aller Dinge habe;
- ↑ Grammatik (Sprachwissenschaft), Mathematik, Musik und Rhetorik waren im Altertum die vier Unterrichtsgegenstände der ἐγκύκλιος παιδεία oder Vorbereitungswissenschaft für die Philosophie (das quadrivium der Römer).
- ↑ Nach τελειοτάτην scheint χαράν ausgefallen zu sein. Isaak (das Lachen) ist bei Philo Symbol der Freude und der Glückseligkeit; s. ob. § 8.
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/032&oldid=- (Version vom 3.12.2016)