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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

so ist er auch seinem Wesen nach nie müde; was aber von Schwäche frei ist, wird, trotzdem es alles schafft, in Ewigkeit niemals aufhören zu ruhen; folglich kommt Gott allein das Ausruhen zu. (27.) Es war aber auch gezeigt, dass das Feiern Gott zufällt; also gehören Sabbate und Feste dem Schöpfer und durchaus keinem Menschen. 91 Wohlan, betrachte mit mir, wenn du willst, unsere berühmten Festversammlungen. Alle die zwar, die bei Barbaren- und Hellenenvölkern aus Mythendichtungen hier und dort entstanden sind und nur in eitler Prahlerei ihr Ziel finden, mögen beiseite gelassen werden; denn das ganze Menschenleben würde nicht ausreichen, die in einer jeden vorhandenen Ungereimtheiten zu schildern. Was man aber, statt viele Worte zu machen, in Kürze von allen, wenn man das rechte Ziel im Auge hat, anführen kann, das soll gesagt werden. 92 Bei jeder Feier und Festversammlung, wie sie bei uns üblich sind[1], gelten als bewunderungswürdig und kostbar die folgenden Dinge: völlige Freiheit, Ungebundenheit, Sicherheit, Trunkenheit, Ausgelassenheit, Gelage, Ueppigkeit, Schweigen, Herumstreifen, nächtliche Ausschweifungen, unziemliche Vergnügungen, Hochzeitsfeiern bei Tage, gewalttätige Misshandlungen, Unzucht, Unvernunft, Verübung schändlicher Dinge, vollständige Vernichtung des Guten, Nachtwachen zur Befriedigung [p. 156 M.] unersättlicher Begierden, Schlaf am Tage, wenn die Zeit des Wachens ist, (kurz) Vertauschung natürlicher Dinge. 93 Da wird Tugend wie etwas Schädliches verlacht, das Laster wie etwas Nützliches begierig erfasst, da gelten gebotene Dinge als verächtlich, verbotene als ehrenhaft, da müssen Musik und Philosophie und jedes Bildungsmittel, die wahrhaft göttlichen Zierden der gottentstammten Seele, verstummen, während diejenigen Künste, die in kupplerischer Weise dem Bauche und dem Unterleib die Lüste vermitteln, das grosse Wort führen. 94 (28.) So sind die Feste der vermeintlich Glücklichen. Solange sie nun zwar in den Häusern oder an ungeweihten Orten ihre Schändlichkeiten verüben, scheinen sie mir weniger zu sündigen;


  1. Philo denkt natürlich an die griechischen Festfeiern, nicht an die jüdischen. Vgl. auch über den Gegensatz von jüdischer Sabbatfeier und nichtjüdischen Festfeiern. Ueber die Einzelges. I § 193 und Anm.; ferner Talm. Megilla. fol. 12b. Midr. Esther 1,11. Midr. Schir Haschirim 8,14.
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: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/029&oldid=- (Version vom 3.12.2016)