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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

die wörtliche Bedeutung[1] von „Frohsinn“, daß Moses sagt, auch Gott halte es nicht für unter seiner Würde, davon Gebrauch zu machen, und dann am meisten, wenn das Menschengeschlecht [682 M.] sich von den Sünden abwendet, sich aber der Gerechtigkeit zuneigt und zukehrt, aus freiem Entschluß den Gesetzen und Satzungen der Natur folgend. 175 „Es wird sich wenden“, heißt es nämlich, „der Herr dein Gott sich zu freuen über dich zum Guten, wie er sich gefreut hat über deine Väter, wenn du hinhörst auf seine Stimme, zu halten alle Gebote und Rechte und Bestimmungen, die geschrieben stehen in dem Buche dieses Gesetzes“ (5 Mos. 30, 9. 10). 176 Wer könnte wohl stärker eine Sehnsucht nach der Tugend und einen Eifer für das Gute und Schöne einflößen? Willst Du, heißt es, meine Seele, daß Gott sich freue? Erfreue dich selbst, und hierzu brauchst du keinerlei Aufwand zu machen – denn wessen bedarf er von dem Deinen? – nein, im Gegenteil: was er dir an Gütern gibt, nimm es freudig an. Denn am Geben hat er seine Freude, wenn die Empfänger der Gabe würdig sind. 177 Du müßtest denn glauben, daß man zwar mit Recht sage, die ein schuldvolles Leben Führenden erbittern Gott und machen ihn zornig, daß aber die, die ein löblich Leben führen, ihn nicht erfreuen. 178 Aber die Väter und Mütter, unsere sterblichen Eltern, erfreut doch nichts so sehr wie die Tugenden ihrer Kinder, obgleich sie unzähliger Dinge bedürfen; den Erzeuger des Alls aber und den überhaupt nichts Bedürfenden sollte die Schönheit und Güte seiner Kinder[2] nicht erfreuen? 179 Wenn du nun, meine Seele, erfahren hast, was für ein Übel der Zorn Gottes ist, was für ein Gut aber Gottes Freude, veranlasse nichts, was den Zorn verdient, zu deinem eigenen Verderben, sondern befleißige dich nur dessen, wodurch du Gott Freude machen wirst. 180 Solches aber wirst du finden, nicht dadurch daß du lange und unbetretene Wege zurücklegst oder unbeschiffbare Meere durchfährst oder in atemloser Hast nach den Grenzen der Erde und des Meeres hinstrebst; denn nicht in die weiteste Ferne ist es ausgewandert und aus den Grenzen des bewohnten Landes entflohen, sondern, wie Moses sagt (5 Mos. 30, 12–14), gar nahe neben dir steht das Gute und ist mit dir verbunden, zusammengesetzt aus den drei wichtigsten Teilen, Herz,


  1. Mit ἔτυμον ἐτύμως meint Philo die Übereinstimmung eines Begriffsinhaltes mit dem Worte oder seiner sprachlichen Ableitung vgl. z. B. Leben Mosis I 17, Ü. d. Sprachenverwirrung 137.
  2. Nach Wendlands Vorschlag: γενομένων übersetzt.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/93&oldid=- (Version vom 7.1.2019)